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1404 Erfahrungen mit Covid-19

Zwei Jahre Corona-Patient*innen im Klinikum Darmstadt - ein Rückblick:

Am 27. Januar 2020 war Patient 1 in Deutschland positiv auf das neuartige Virus Sars-Cov-2 getestet worden. Im Februar kam der erste Patient, 51 Jahre alt, mit Symptomen ins Klinikum Darmstadt. Er blieb 55 Tage auf Station. Im darauffolgenden Monat März wurden bereits 25 Covid-19-Patient*innen aufgenommen – im Durchschnitt waren diese 67 Jahre alt; im April kamen 43 Neuaufnahmen dazu. 13,8 Tage lagen sie im Mittel im Krankenhaus. 

Das sind die nüchternen Zahlen, mit denen die Pandemie im Klinikum Darmstadt 2020 begann.
Inzwischen haben die Spezialist*innen des Klinikums Darmstadt in den zwei Kalenderjahren insgesamt 1404 Corona-Patient*innen behandelt – darunter 341 kritisch kranke Intensivpatient*innen. 

Im Rückblick ist Vieles in den zwei Jahren Pandemie Routine geworden; aber jede der mittlerweile fünf Wellen hatte so seine Eigenarten.
Zwei Paar Handschuhe, Kittel, FFP 2- oder 3-Maske/Mund-Nasen-Schutz, Visier – bevor Ärzt*innen und Pflegekräfte überhaupt in die seit zwei Jahren abgetrennten Bereiche oder in die Zimmer reinkönnen, fängt die Arbeit an. Mittlerweile, so sagt Dr. Cihan Celik, Sektionsleiter Pneumologie und zuständig für die Corona-Isolierstationen im Klinikum Darmstadt, ist das absolute Routine; darüber denke man gar nicht mehr nach. Als sogar selbst Betroffener von Covid-19 – er war im September 2020 schwer an Corona erkrankt und lag mehrere Tage bei den Kollegen*innen der Anästhesiologie auf der Intensivstation – wurde Dr. Celik mit der Pandemie zum Medienstar und vielgefragten Experten und Talkshowgast bundesweit.

„Wir haben in diesen vergangenen zwei Jahren sehr viel gelernt. Zunächst über das Virus und das Krankheitsbild, aber auch wie wir in den verschiedenen Krankheitsphasen zielgerichtet behandeln. Dabei gab es nie einen Stillstand, denn positive Effekte der Impfkampagne, neue Varianten und immer ausgefeiltere Behandlungsmöglichkeiten müssen immer wieder aufs Neue berücksichtig werden und verändern die Situation auf den Stationen. Wir sind mittlerweile sehr flexibel und haben vor allem gelernt, innerhalb kürzester Zeit alle Hebel in Bewegung zu setzen, um alle Patient*innen gut versorgen zu können. Auch wenn es uns viel Kraft kostet“, betont Dr. Cihan Celik, der im März 2022 erneut – diesmal leicht – an Corona erkrankt ist.

Besonders herausfordernd war für alle im Krankenhaus die zweite Welle: 229 Covid-19-Patient*innen hat das Team von Dr. Celik allein im Dezember 2020 neu auf den damals drei Corona-Isolierstationen aufgenommen – Rekordzahl eines Monats in den Pandemiejahren. Im Januar 2021 ist die Zahl dann schon etwas abgeflacht auf 140. Ein Jahr später im Januar 2022 lag sie wiederum bei 131, dem Beginn der fünften Welle – doch diesmal ist bei einem Großteil der Patient*innen Corona (nur) eine Nebendiagnose, das unterscheidet diese Welle von den vorangegangenen. 
Der Großteil aller Corona-Patient*innen, schlug und schlägt zuerst in der Zentralen Notaufnahme auf – dem Einfallstor Erkrankter ins Krankenhaus. Direktorin Dr. Sabine Jobmann hat mir Ihren Teams in der Notaufnahme einen Verdachtsbereich geschaffen und diesen in der Größe immer wieder den Gegebenheiten angepasst. Dort werden alle jene Verdachtspatient*innen zunächst aufgenommen und behandelt, bis das Ergebnis des Schnelltests bzw. des PCR-Abstrichs da ist. Erst dann können sie sicher in die geeignete Aufnahmestation weitergeleitet werden. 

Hoffnung und Sicherheit im ersten Winter

Die schlimmste Welle im Winter 2020/21 brachte zugleich eine neue Hoffnung und Sicherheit für die Mitarbeitenden: die Corona-Impfung. Ende Dezember konnte das Team um die Betriebsärztin Dr. Catherine Golisch die ersten Mitarbeitenden aus Pflege und Ärzteschaft in den eigenen Räumen impfen. Bis heute wurden 4400 Erst-, Zweit- und Booster-Impfungen hausintern durchgeführt. Im März und auch im April sind weitere Impfungen geplant (inkl. Novavax und 2. Auffrischimpfung). 
Schon im März 2020 war die Corona-Pandemie auf der anästhesiologischen Intensivstation unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Welte angekommen, die fortan zur Corona-Intensivstation des Hauses bestimmt war. Die ersten 9 Corona-Intensivpatient*innen lagen im Mittel 23 Tage. Schnell hat der eine Bereich der Intensivstation nicht mehr ausgereicht. Auch die Intensivstation war besonders frequentiert im ersten Corona-Winter: 36 Intensivpatient*innen wurden von dem interdisziplinären Team im November betreut und behandelt, im Dezember waren es sogar 54. Insgesamt wurden auf den Stationen 18A und B 341 Menschen wegen kritischer Verlaufsformen von Covid-19 intensivmedizinisch behandelt und gepflegt; im ersten Pandemiejahr 155 Covid-19-Patient*innen, im zweiten Jahr 186. 

Zwei Drittel der Covid-19-Intensivpatienten*innen haben ihre schwere Erkrankung überlebt, einem knappen Drittel konnte trotz aller medizinischen und pflegerischen Bemühungen nicht mehr geholfen – eine hohe Sterblichkeit, wie sie aber vom Akuten Lungenversagen (ARDS) und septischen Schock durchaus bekannt ist. Besonders belastend war für Angehörige aber auch das Behandlungsteam, dass viele Patienten*innen pandemiebedingt ohne die Möglichkeit eines Abschieds verstarben.

26 Menschen mittels ECMO-Therapie behandelt

Allen Patient*innen musste zusätzlich Sauerstoff zugeführt werden, alle brauchten eine Form der nicht-invasiven Atemunterstützung (Hoch-Fluss-Sauerstofftherapie [HFOT] oder nichtinvasive Beatmung [NIV]), über 281 mussten invasiv beatmet werden. Bei 26 Menschen reichte auch das nicht aus, sie wurden mittels ECMO-Therapie behandelt – der extrakorporalen Membranoxygenierung, „der künstlichen Lunge“. Das geschieht in Fällen, in denen die Lunge selbst nicht mehr in der Lage ist, den zugeführten Sauerstoff in ausreichender Menge ins Blut abzugeben. Das Blut wird dann außerhalb des Körpers in einem sog. Oxygenator mit Sauerstoff angereichert und in den Körper zurück gepumpt. Dieses hoch invasive Verfahren ist selbst nicht ohne Risiko, aber 9 der Patienten*innen haben auf diese Weise die lebensbedrohliche Erkrankung überlebt.  

Am längsten wurde ein Patient 47 Tage lang mit Hilfe der ECMO-Therapie behandelt. Die längsten Beatmungsdauern lagen bei 70 bzw. 64 Tagen. Ein 51 Jahre alter Mann konnte nach 56 Beatmungstagen entlassen werden.

„Wir haben kaum zuvor so viele schwer kranke Patienten*innen mit nur einem einzigen Krankheitsbild gleichzeitig behandelt: dem akuten Lungenversagen, ARDS, infolge der Lungenentzündung ausgelöst durch die SARS-CoV-2-Infektion! Wir haben sehr schnell gelernt, dass es bei den kritisch Kranken, die auf die Intensivstation kommen, sehr rasch, d.h. innerhalb von Stunden, zu einer dramatischen Verschlechterung der Lungenfunktion kommt. Das haben wir vor allem gesehen, wenn Risikofaktoren vorhanden waren, allen voran höheres Alter, kardiovaskuläre und pulmonale Begleiterkrankungen, aber auch Übergewicht und ganz dramatisch in den letzten beiden Wellen: nicht geimpft zu sein! Relativ schnell wurde uns auch klar, dass diese Erkrankung keine kurzzeitige Episode bleiben würde, sondern dass wir sozusagen im März 2020 am Beginn eines Marathons standen“, berichtet Klinikdirektor Prof. Dr. Martin Welte. Und erzählt weiter: „Die wirklich kräftezehrenden Anstrengungen des ganzen Teams wurden aber auch immer wieder belohnt, wenn schwer Kranke nach langer Beatmung oder gar ECMO-Therapie sich dann doch stabilisierten, wieder selbst atmen konnten, von der Station entlassen wurden oder uns gar nach Krankenhausentlassung besuchten.“ Er erinnert sich an einen Patienten der ersten Welle, der wochenlang beatmet wurde, ein Nierenersatzverfahren brauchte, der etliche Episoden eines septischen Schock überstanden hatte, und der schließlich doch entlassen wurde: „Zu Weihnachten schickte uns seine Enkelin ein Fotoalbum, in dem er zu sehen war, wie er auf seinem Moped am Strand des Mittelmeers entlang fuhr“.

Der Blick in die Statistiken des Medizincontrollings, das die Abrechnungsdaten für diesen Rückblick ausgewertet hat, zeigt auf, dass sich der Altersdurchschnitt der Corona-Patient*innen in den fünf Wellen verändert hat. In der dritten Welle (ab Februar 2021) waren auch viele junge Menschen zwischen 20 und 39 Jahren betroffen (107); in der zweiten Welle (ab Oktober 2020) besonders viele Menschen zwischen 60 und 79 Jahren (261) und ab 80 Jahren (194). Die ältesten Patient*innen waren in den Wellen zwischen 93 und 99 Jahren alt. Mit 95 Jahren hat die älteste Patientin die erste Welle überlebt, ebenso die ältesten Patient*innen der 3. und 4. Welle haben überlebt; die der zweiten Welle ist mit 98 Jahren verstorben.

Zu den Erfahrungen der letzten beiden Jahre gehören auch Entbindungen von Corona-positiven Müttern dazu. 37 Geburten unter erschwerten hygienischen Bedingungen hat das Team der Geburtsklinik gestemmt. Weitere 17 alleine im Januar 2022 zu Beginn der mittlerweile fünften Welle.

Vom Mangel bis zur Logistikherausforderung

In den Anfangszeiten war alles knapp: Schutzmaterialien wie Masken, Visiere aber auch die Lösungen zur Händehygiene. Laut Dr. Marcel Fiegen hat die hauseigene Apotheke 3000 L Desinfektionsmittel selbst hergestellt und verteilt. In zwei Jahren hat der Zentraleinkauf – so erzählt es deren Leiterin Sonja Oppitz – knapp 500.000 Schutzkittel, mehr als 300.000 OP-Hauben, 470.000 FFP-2-Masken und mehr 33 Millionen Untersuchungshandschuhe eingekauft und ausgegeben. 

Zu Pandemie-Hochzeiten hat das Klinikum als koordinierendes Haus für Südhessen, als das es vom Hessischen Sozialministerium auserkoren wurde, dazu auch als Warenumschlagsort fungiert. Vor der Pandemie hatte eine Lagerfläche von 500 Quadratmeter ausgereicht, „aufgrund der Veränderungen hinsichtlich des Bestell- und Vorhalteprozesses haben wir nun fortwährend eine zu bewirtschaftende Fläche von 1500 qm. Die Räume bieten jetzt 650 Paletten Platz, zuvor nur für 152“, so Oppitz weiter.
Neben den Mengensteigerungen kamen die Kostensprünge dazu. Vor der Pandemie kostete ein Schutzkittel weniger als 50 Cent. Im Juli 2020 jeder Kittel 2.75 Euro. Der Preissprung pro Handschuhpaar Größe S wuchs von 0,03 Cent auf 12 Cent im Sommer 2021.

Der größte Teil der im Klinikum Darmstadt behandelten Covid-19-Patient*innen kam aus dem Landkreis Darmstadt-Dieburg (619), gefolgt von Darmstädter*innen (488) und Menschen aus anderen Landkreisen und Städten, 12 Patient*innen aus dem Ausland wurden im koordinierenden Krankenhaus des Versorgungsgebietes 6, Südhessen, behandelt. 

Ständig neue Herausforderungen gemeistert

Die letzten beiden Jahre waren nicht nur durch Covid-19-Patient*innen geprägt. Das ganze Haus und die 3.350 Mitarbeitenden in allen Berufsgruppen waren von vielfältigen Begleiterscheinungen beeinflusst. Fortlaufend mussten neue Testkonzepte aufgestellt und nachgehalten werden. Das Labor musste seine Test- und PCR-Strecken immer wieder neu aufsetzen. Die Dialyse, das Herzkatheterlabor, die Endoskopie, die Radiologie, der Zentral-OP – alle Bereiche mussten gewährleisten, auch Infizierte zu untersuchen und zu behandeln. Tangiert waren auch alle durch die Besuchsverbote für Angehörige, die zu Einsamkeit von Patient*innen und viel Kommunikation der Mitarbeitenden führte. Durch neue Wegeleitungen und Einlasskontrollen und Sicherheitschecks am Haupteingang. Durch immer wieder neue Regelungen und Verordnungen des Landes Hessen. Durch die stetigen Abstimmungen mit dem Krisenstab der Stadt Darmstadt und intern in der Corona-Krankenhausleitung. Durch die zusätzliche doppelte Verantwortung, die das Klinikum Darmstadt als einziger Maximalversorger in Südhessen nicht nur für die Versorgung von Non-Covid-Patient*innen hatte, sondern eben auch als koordinierendes Krankenhaus für weitere 15 Krankenhäuser auf sich genommen hat. 

Patient*innen bestmöglich gesteuert

Die Geschäftsführer der Klinikum Darmstadt ziehen das Fazit: Das gute Zusammenspiel und die funktionierenden Abstimmungen über die Häuser hat dazu geführt, dass die Patient*innen über die verschiedenen Versorgungsstufen und Spezialisierungen der Krankenhäuser bestmöglich gesteuert und versorgt werden konnten – auch in der Pandemie-Hochphase im Winter 2020. Gestärkt durch die Teams, die immer wieder über sich hinausgewachsen sind, eingesprungen sind, sich selbst zurückgenommen haben, um für das Team und die Patient*innen da zu sein, konnte das Klinikum Darmstadt Triage-Situationen vermeiden und alle Notfälle und dringliche Patient*innen versorgen.

„Mit den bevorstehenden Herausforderungen und vielfältigen medizinischen, logistischen und personellen Fragestellungen haben wir uns in der Geschäftsführung schnell zu Beginn der Pandemie dazu entschlossen, den Krankenhauseinsatzplan, hier das Kapitel 6 Gefährdung durch biologische Stoffe/Infektionen zu aktivieren und zu modifizieren. Hierdurch konnten die vielfältigen zu bewältigenden Aufgaben in dafür vorgesehen Strukturen gegeben und klare Zuständigkeiten und Kommunikationswege geschaffen werden. Die Krankenhausleitung wurde um Expert*innen aus dem Klinikum erweitert; in der Anfangsphase wurde täglich getagt, um die neuen Erkenntnisse zu Beginn der Pandemie unmittelbar in die Umsetzung geben zu können“, berichtet der medizinische Geschäftsführer Prof. Dr. Nawid Khaladj. 

„Durch die Einberufung des Planungsstabes Covid-19 durch Staatsminister Kai Klose und die Ernennung des Klinikum Darmstadt zum koordinierenden Level-1 Krankenhaus für das Versorgungsgebiet 6 kamen vielfältige Aufgaben hinzu, von der Steuerung von Patient*innen in und zwischen den Versorgungsgebieten bis hin zu logistischen Fragestellungen“, ergänzt Geschäftsführer Clemens Maurer. „Wir sind stolz auf das, was unsere Mitarbeitenden in den letzten 24 Monaten geleistet haben. Die Balance in der Versorgung zwischen Non-Covid- und Covid-Patient*innen war die größte Herausforderung – da wir als Klinikum der höchsten Versorgungsstufe ja auch für alle Notfälle und dringlichen Krankheitsbilder immer Kapazitäten vorhalten mussten.“