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Arbeiten an der Corona-Front - Eine Innenansicht

Fünf Fragen an Dr. Cihan Celik, Funktionsoberarzt in der Medizinischen Klinik II, zu der auch der Isolierbereich für Covid-19-Patientinnen und -patienten gehört.

Wie ist die aktuelle Situation auf der Isolierstation?

CC: Im Moment haben wir das Gefühl, alles im Griff zu haben; jeden Tag gewinnen wir an Erfahrung und an Selbstbewusstsein im Umgang mit Covid-19. Vor ein, zwei Wochen war die Anspannung höher, da wussten wir weniger, was alles auf uns  zukommen kann. Ärzte und Pflegekräfte schlafen jetzt deutlich ruhiger als damals. Bisher sind wir aber noch nie in die Bredouille gekommen, nicht genug Betten oder Personal zu haben. Heute kann ich sagen: Wir sind dem Virus und den Erkrankten immer noch einen Schritt voraus. 

Mit den Patienten in unserem Covid-Bereich und denen auf der Intensivstation kommen wir gut zurecht. Als koordinierendes Krankenhaus für Südhessen sind wir ja auch in der Situation, Patienten in andere Häuser abverlegen zu können. Das muss auch so sein, damit wir immer genug Spielraum haben. Dazu kommen die verschiedenen Szenarien des weiteren Ausbaus an Kapazitäten, die Sicherheit geben. Arbeiten in einem Krankenhaus ist im Moment definitiv ein spannender Arbeitsplatz. 

Was unterscheidet SARS-Cov-2 von anderen Lungenkrankheiten und wie macht sich das bemerkbar?

CC: Vor zwei, drei Wochen hatten wir ja mit dieser Erkrankung noch gar keine Erfahrung, Covid-19 war für uns die große Unbekannte. Deshalb war auch bei uns die Anspannung hoch, wir hatten selbst Angst vor Infektionen. Und haben uns gefragt: Wie gehen wir mit der Erkrankung um? Auf einer Lungenstation sind wir im Umgang mit dramatischen Erkrankungen vertraut. Dennoch unterscheiden sich die Erkrankungen alle enorm. Auffällig war bisher, dass am Anfang eher die jungen Patienten kamen, die Skifahrer und Urlaubsrückkehrer, und da erstaunlich viele junge Patienten ab 30 Jahren mit sehr schweren Lungenentzündungen. Jetzt kommen eher die Älteren mit  Vorerkrankungen. Viele fühlen sich rein subjektiv mit der Corona-Erkrankung besser als  ihre Atemfrequenzen und Sauerstoffsättigungen es uns anzeigen. Die Ergebnisse haben uns zu Beginn erschreckt. Auch die Dynamik der Erkrankung ist eine andere als bei herkömmlichen Lungenentzündungen oder COPD. Eine Verschlechterung tritt nicht zu Beginn, sondern erst um den 10. Tag der Erkrankung ein. Einige Behandlungsmethoden – wie Maskenbeatmung oder highflow-Sauerstofftherapie – scheiden aus hygienischen und Infektionsschutzgründen aus. Es mussten im Eiltempo neue Schemata her, wie wir diese Probleme lösen können. Wir haben in der ersten Zeit alle wie die wissenshungrigen Studenten alles gelesen, was wir kriegen konnten. 

Wir alle haben die schrecklichen Bilder von Italien im Kopf: Nehmen wir an, die Beatmungsplätze würden auch bei uns nicht ausreichen…?

CC: …. Das ist eine Horrorvorstellung, die wir hoffentlich hier und in Deutschland nicht sehen müssen. Daher ist die Steuerung von Patienten so wichtig. Die Gesellschaft für Palliativmedizin hat ja Entscheidungshilfen für Ärzte kommuniziert. Vieles davon gilt für uns Ärzte ja immer: Wir gehen mit den Ressourcen eines Krankenhauses verantwortungsvoll um – auch in Nicht-Corona-Zeiten muten wir keinem Patienten eine Therapie zu, die er nicht gewollt hätte, oder die Leid verlängern würde, ohne eine medizinisch und ethisch vertretbare Perspektive. Die Vorerkrankungen und Wünsche von Patienten, die gelten immer und fließen immer mit ein in die Entscheidung, ob ein Patient auf Intensivstation verlegt wird und künstlich beatmet wird oder nicht.

Wie steht es um die Persönliche Schutzausrüstung und Ihr Sicherheitsgefühl?

CC: Unsere Infrastruktur steht auf stabilen Beinen. Ich habe selbst einen Tag leichte Symptome entwickelt  und wurde dann von Kollegen des Betriebsärztlichen Dienstes angewiesen, mich im Zelt vor der ZNA abstreichen zu lassen. Zwei Tage später rief das Gesundheitsamt an und gab mich wieder zur Arbeit frei. Da konnte ich am eigenen Leib erfahren, dass die Strukturen hier im Haus funktionieren.  Auch in Bezug auf Persönlicher Schutzausrüstung haben wir ausreichende Mengen. Von den wenigen Kolleginnen und Kollegen aus dem Haus, die an Corona erkrankt sind, haben sich keine hier im Haus auf einer der Corona-Stationen infiziert. Die getroffenen Maßnahmen wirken.

Wie lautet ihr Fazit für den Umgang mit der Corona-Pandemie? Was hätte Deutschland besser machen können oder was würde Ihnen als Arzt von Corona-Patienten helfen?

CC: In so einer Zeit Entscheidungen zu fällen ist so schwer, dass es mir fern liegt, Kritik zu äußern. Wenn wir uns etwa mit den USA vergleichen, dann denke ich, wir haben unsere Entscheidungen nicht zu spät getroffen, sondern an der Coronafront gut reagiert. Planungssicherheit würde natürlich helfen, aber die kann es derzeit immer nur für kurze Zeitspannen geben. Klar wäre es schön, zu wissen, wie es im Juni aussieht. Aber das weiß keiner und es ist richtig, sich langsam Schritt für Schritt aus dem Lockdown zu lösen, um immer wieder auch reagieren zu können. Ich gehe davon aus, dass wir in den medizinischen Berufen noch einige Monate im Krisenmodus arbeiten werden und Abstriche im Privatleben machen müssen, aber  wie ich sind viele sind bereit, den Preis zu zahlen.