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Herz außer Funktion?

Das Herzkatheterlabor am Klinikum Darmstadt behandelt den 50.000-sten Patienten: Was einst nur an großen Herzzentren möglich war, ist heute vor Ort behandelbar.

Am Freitag, den 5 Juni, wurde im Herzkatheterlabor am Klinikum Darmstadt der 50.000 Patient behandelt – 30 Jahre nach dem ersten Kathetereingriff im Klinikum überhaupt. Der Patient aus der Gegend von Stendal mit einem chronischen Verschluss der Vorderwandarterie des Herzens konnte nach vor Ort zweimal vergeblicher Rekanalisation jetzt erfolgreich behandelt werden. „Wir sind sehr stolz auf die Leistungsfähigkeit unserer Kardiologie am Klinikum Darmstadt. Das Team um Prof. Dr. Gerald Werner versorgt rund um die Uhr an 365 Tagen sämtliche lebensbedrohlichen Krankheitsbilder des Herzens wie zum Beispiel akuter Herzinfarkt, Herzschwäche und Herzrhythmusstörungen. Das Herzkatheterlabor besteht aus zwei modernen Herzkatheter-Eingriffsräumen, um Patienten mit Herzproblemen geplant, aber auch akut, zum Beispiel bei einem Herzinfarkt, helfen zu können“, freut sich der medizinische Geschäftsführer Prof. Dr. Nawid Khaladj.

„Unser Herzkatheterlabor wurde von meinem Vorgänger Prof. Dr. Peter Doenecke im Jahr 1990 ins Leben gerufen und wird von mir seit 2005 weitergeführt. Es bildet neben der Intensivstation das Herzstück der Medizinischen Klinik I. Seit Fertigstellung des Neubaus der Medizinischen Kliniken im Jahr 2009 haben wir zwei moderne Herzkatheterlabore mit direkter räumlicher Anbindung an die Intensivstation“, erläutert Prof. Dr. Werner, Direktor der Kardiologie und Internistischen Intensivmedizin, der das Team aus fünf Oberärztinnen und -ärzten, drei Fach- und 20 Assistenzärztinnen und -Ärzten führt. Für die Versorgung der Patientinnen und Patienten stehen drei Stationen mit insgesamt 79 Betten bereit, daneben Zimmer auf einer Wahlleistungsstation.

Grundlage der Therapieentscheidung

Vor allem Patienten mit Brustenge-Gefühl sowie mit frischem Herzinfarkt werden im Herzkatheterlabor untersucht. Die Herzkatheteruntersuchung bildet dabei die Grundlage der Therapieentscheidung, ob medikamentös oder interventionell behandelt wird. 

„Die Katheteruntersuchung ist ein risikoarmer, minimal-invasiver Eingriff für den nur eine örtliche Betäubung notwendig ist. Weil die Innenwände von Gefäßen nicht schmerzempfindlich sind, spüren die Patienten während der Untersuchung in der Regel nichts, lediglich ein leichtes Druckgefühl während der Punktion. Auf Wunsch können wir Beruhigungsmittel geben“, erklärt der Leitende Oberarzt Dr. Hiller Moehlis. Als Zugangsweg werde in zwei von drei Fällen die Unterarmarterie benutzt, dies habe den Vorteil, dass die Patienten nach der Untersuchung wieder schnell mobil sind und auch die Komplikationsrate (Nachblutung) deutlich geringer ist. Der alternative Zugangsweg führt über die Leistenarterie.

Die eigentliche Untersuchung erfolgt mit speziell geformten dünnen und biegsamen Kunststoffschläuchen, den Kathetern, die unter genauer Röntgenkontrolle vom Arzt über die Hauptschlagader des Menschen bis in den Abgangsbereich der Herzkranzgefäße gebracht werden. Sichtbar wird das Herzkranzgefäß durch Einspritzen von Röntgenkontrastmitteln in die Katheter. Damit lassen sich beschwerdeverursachende Engstellen bildlich nachweisen und geeignete Behandlungsverfahren zur Beseitigung auswählen. Die Erfolgsrate ist mit 98 Prozent sehr hoch, das Risiko dabei sehr gering, die Sterblichkeit bei geplanten Eingriffen bei deutlich unter 1 Prozent. 

Wiedereröffnung chronisch verschlossener Herzkranzgefäße

„In den allermeisten Fällen lassen sich Bypass-Operationen komplett vermeiden indem wir mittels Katheterinterventionen medikamentenfreisetzenden Stents implantieren“, führt Prof. Dr. Gerald Werner weiter aus. Wichtiges Therapieprinzip ist die Eröffnung von Engstellen (Stenosen) und Verschlüssen der Herzkranzgefäße mittels Ballonkatheter (Dilatation). Ganz besondere Expertise bringt Prof. Dr. Gerald Werner als einer von wenigen weltweiten Experten bei der Wiedereröffnung chronisch verschlossener Herzkranzgefäße in das Klinikum Darmstadt ein. Die Rekanalisation (Wiedereröffnung) führt bei den allermeisten Patienten direkt nach dem Eingriff zu einer spürbaren Verbesserung der körperlichen Belastungsfähigkeit und nach einigen Monaten auch zu einer mittels Herzultraschall nachweisbaren Verbesserung bzw. Normalisierung der Herzleistung. 

Einfache Eingriffe dauern in der Regel um die 30 Minuten, das Wiedereröffnen chronischer Verschlüsse kann aber auch mehrere Stunden dauern. „Entscheidend dafür ist die Erfahrung mit diesen schwierigen Verengungen und das Vorhandensein der speziellen Materialien und Techniken“, so Prof. Dr. Werner.

Um 30 Prozent reduzierte Strahlenbelastung

Ein weiteres Qualitätsmerkmal des Herzkatheterlabors sind die modernen Röntgenanlagen, mit besonders niedrigen Strahlenbelastungen für Patienten und Untersuchende: eine gerade abgeschlossene Studie hat eine Reduktion der Strahlenbelastung auf ein Drittel der üblichen Werte aufgezeigt. Diese Senkung kommt seit 2019 jedem Patienten im Klinikum zugute.

Während der Herzkatheteruntersuchung werden die Patienten eng mit Blutdruck und Elektrokardiogramm (EKG) überwacht. 2019 wurden in der Medizinischen Klinik I bei 1800 Patienten zur Abklärung einer Durchblutungsstörung des Herzens ein diagnostischer Herzkatheter durchgeführt. 1450 Patienten hatten beschwerdeverursachende Engstellen der Herzkranzgefäße, die erfolgreich mittels Ballonaufweitung und nachfolgender Stentimplantation (Gefäßstütze) beseitigt werden konnten.

Daneben werden aber auch viele andere Untersuchungen und Behandlungen im Herzkatheterlabor durchgeführt: Quantifizierungsmessungen der Herzkranzgefäße, Ultaschallbeurteilungen der Herzkranzgefäße oder Verschlüsse von Vohofscheidewanddefekten oder des linken Vorhofohres. Besonders verkalkte Engstellen können mittels eines Bohrkopfes abgefräst bzw. mit einem speziellen Stoßwellen-Ballon dehnbar gemacht werden, damit eine Ballon-/Stentbehandlung möglich wird.

Schwerpunkt Herzrhythmusstörungen

Ein weiterer Schwerpunkt der Medizinischen Klinik I ist die elektrophysiologische Untersuchung des Herzens (Untersuchung von Herzrhythmusstörungen). Seit April 2019 hat Dr. Thomas Keuser als erfahrener Rhythmologe die Sektionsleitung Elektrophysiologie übernommen. „Rund 60 Mal pro Minute schlägt unser Herzmuskel und verrichtet normalerweise unbemerkt seine zentrale Körperfunktion. Taktgeber ist normalerweise der sogenannte Sinusknoten. Spezielle elektrische Leitungsbahnen geben die weitere Erregungsausbreitung vor und führen zu einer konzertierten Herzaktion. Gerät dieser Rhythmus aus dem Takt, spricht man von Herzrhythmusstörungen“, erläutert Dr. Keuser. Oft kann das Krankheitsbild noch während des Diagnoseeingriffs behoben werden. Was einst nur an großen Herzzentren möglich war, ist heute vor Ort behandelbar: Der Rhythmologe löst die Herzrhythmusstörung meist gezielt aus, um seine Verdachtsdiagnose zu bestätigen. Wird der Ursprung der Herzrhythmusstörung erkannt, so kann diese gezielt mit einem Ablationskatheter punktuell verödet werden. Hierzu wird die Katheterspitze elektrisch erhitzt und das erkannte Areal quasi „verkocht“. Insgesamt dauert der meist wenig belastende Eingriff im Durchschnitt zwischen 60 und 90 Minuten; der Patient verbringt lediglich eine Nacht im Krankenhaus. Eine häufige Intervention in der Rhythmologie ist die Behandlung von Vorhofflimmern. Die auslösenden Impulse für das Vorhofflimmern entstehen meist in den Lungenvenen des linken Vorhofs. Mit der sogenannten „Kälteballonbehandlung“ (Cryo-Ablation) kann durch das Herunterkühlen des Gewebes bis auf -40 bis -50 Grad eine elektrische Isolation der Lungenvenen erreicht werden. Die auslösenden Störsignale werden eliminiert. 

Effektive abgestimmte Behandlungsstrategien

Patienten stehen im Herzkatheterlabor und auf der Intensivstation weitere spezielle Therapieverfahren zur Verfügung: Für Patienten mit schwerer Herzschwäche bis zum Herzkreislaufversagen (Schock) stehen in der Akut-Situation externe Reanimationssysteme und in den Körper einsetzbare interne Herzkreislaufunterstützungssystemen zur Verfügung, mit deren Hilfe das Herz in seiner Pumpfunktion unterstützt und entlastet wird. So wird die Organdurchblutung (Herz, Leber, Niere, Gehirn) verbessert und damit die Voraussetzung für eine natürliche Erholung des Herzens geschaffen.

Mit diesen einsetzbaren Herzkreislaufunterstützungssystemen kann die Zeit überbrückt werden, bis sich das Herz und / oder die Lunge erholt haben, um die Funktion wieder vollständig aufzunehmen. „In der Zusammenschau bieten wir in der Kardiologie am Klinikum Darmstadt effektive, auf den Patienten abgestimmte Behandlungsstrategien mit geringem Behandlungsrisiko für eine Vielzahl von Herzerkrankungen an. Wir freuen uns, dieses Behandlungsspektrum nach ausführlicher Beratung zum Wohle unserer Patientinnen und Patienten einsetzen zu können“, zieht Prof. Dr. Gerald Werner das Fazit.

Mehr Infos zur Kardiologie finden Sie hier: <link 176 - internal-link "Opens internal link in current window">Medizinische Klinik I</link>