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Mehr Power für Endoskope: Sechs Meter Sicht im Dünndarm

Neues Spiralenteroskop bietet neue Untersuchungs- und Therapiemöglichkeiten in der Gastroenterologie

Die Medizinische Klinik II unter der Leitung von Prof. Dr. Carl Schimanski verfügt seit März dieses Jahres als erste Kliniken im Rhein-Main-Gebiet und als einer der ersten Kliniken in Deutschland über ein sogenanntes Spiral-Enteroskop, das ganz neue Einsichten und Behandlungsmöglichkeiten im Dünndarm ermöglicht: Auf einem speziellen Endoskop mit integriertem Elektromotor wird eine 26 Zentimeter lange, weiche Spirale montiert. Über einen Fußschalter wird die Rotationsgeschwindigkeit und -richtung der Spirale gesteuert. Durch eine langsame Umdrehung wird der Dünndarm auf das Endoskop aufgefädelt. Um größtmögliche Patientensicherheit zu gewährleisten wird dabei permanent der Widerstand gemessen und angezeigt; wird dieser zu groß schaltet der Motor selbstständig ab. Neben einer sehr hohen Eindringtiefe in den Dünndarm profitieren Patienten, die mit Hilfe der Spiralenteroskopie untersucht werden, auch besonders von einer deutlich verkürzten Untersuchungsdauer. Darüber hinaus bietet das Spiralenteroskop zahlreiche therapeutische Interventionsmöglichkeiten von u.a. Probeentnahmen, Abtragung von Polypen oder die Therapie von rezidivierend, blutenden Gefäßveränderungen. 

„Ich freue mich sehr, dass wir in der Medizinische Klinik II am Klinikum Darmstadt gerade auch mit der Spiralenteroskopie modernste medizinische Möglichkeiten für unsere Patienten zur Verfügung haben und damit die hervorragende endoskopische Ausstattung weitergehend komplettieren. Ich bin davon überzeugt, dass wir vielen Patientinnen und Patienten mit Dünndarmerkrankungen mit Hilfe der Spiralenteroskopie helfen können“ so Prof. Schimanski, Direktor der Medizinischen Klinik II - Gastroenterologie, Hepatopankreatologie, Endokrinologie und Pneumologie. 

„Gerade bei rezidivierend auftretenden Blutungen von Gefäßveränderungen im tiefen Dünndarm hat das neue Spiralenteroskop am Klinikum Darmstadt seine neuen technischen Möglichkeiten bereits unter Beweis gestellt“, sagt Dr. Christian Friedrich, Oberarzt und Leiter der Endoskopie. Bei einer Patientin sind wiederholt Blutungen im Magen-Darm-Trakt aufgetreten, teilweise musste sogar Blut transfundiert werden und dennoch konnten in zwei Magen- und Darmspiegelungen keine Blutungsquellen aufgefunden werden. Nach Darstellung der Blutungsursache mittels Kapselendoskopie, bei dieser Patientin waren diese Gefäßveränderungen, sogenannte Angiodyplasien, im Rahmen einer Spiralenteroskopie aufgesucht und mittels Argon-Plasma-Therapie erfolgreich behandelt werden. 

Spirale statt Kapseln oder Ballons

Erkrankungen in tiefer gelegenen Abschnitten des bis zu sechs Meter langen Dünndarms sind für Gastroenterologen in der Diagnostik und vor allem in der therapeutischen Intervention seit jeher eine Herausforderung an Können und Technik. Dies wird spätestens dann offensichtlich, wenn man sich vor Augen führt, dass mit der normalen Magenspiegelung (Ösophagogastroduodenoskopie) nur maximal 30 bis 40 Zentimeters des oberen Dünndarms eingesehen werden können. 

Ein Meilenstein in der Beurteilung der Schleimhautoberfläche des gesamten Dünndarms war die Einführung der Videokapselendoskopie im Jahr 2000. Mit ihr schluckt der Patient nach Abführmaßnahmen eine etwa Bohnengroße Kapsel, die gestochen scharfe Bilder auf einen tragbaren Rekorder überträgt, so dass nach Passage der Kapsel durch den Dünndarm die Bilder am Computer beurteilt und mittels Computer unterstützten Systemen interpretiert werden können. Ein häufiger Grund für die Durchführung einer Kapselendoskopie ist z.B. die Suche nach bisher unerkannten Blutungsquellen im Dünndarm. Diese Technik ist hierfür hervorragend geeignet. Allerdings kann sie ausschließlich zur Diagnostik eingesetzt und nicht therapeutisch genutzt werden. 

In den frühen 2000er Jahren wurden die sog. Single- und Doppelballonenteroskopie entwickelt. Dies sind Verfahren die mit einem langen und flexiblen Enteroskop in Kombination mit einem „Übertubus“ den bereits passierten Dünndarm auffädeln. Mit dieser Technik gelang es erstmals, große Teile des Dünndarms und teilweise sogar den kompletten Dünndarm einzusehen und in therapeutischem Sinne Blutungen zu behandeln oder Polypen abzutragen. Die Ballonenteroskopie ist sicher und effektiv. Sie wird bereits seit Jahren auch im Klinikum Darmstadt regelmäßig durchgeführt. 

Trotz dieser großen Fortschritte bleibt die Dünndarmdiagnostik und -therapie eine große Herausforderung für die Untersucher und ist mit einem großen zeitlichen Aufwand verbunden. Zudem ist häufig parallel eine Röntgendurchleuchtung erforderlich, um besonders tiefe Einblicke in den Dünndarm zu erhalten.

„In der öffentlichen Wahrnehmung werden Erkrankungen des Dünndarms im Vergleich zu Erkrankungen des Dickdarms häufig weniger Beachtung geschenkt, bekannt ist die Darmkrebsvorsorge durch Spiegelung des Dickdarms, obwohl der Dünndarm mit fünf bis sechs Metern das längste Organ in unserem Körper ist“, sagt Dr. Frank Staib, leitender Oberarzt. „Auch im Dünndarm kann es zu einer Vielzahl von Veränderungen kommen: chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Polypen und Gefäßveränderungen oder auch Krebserkrankungen. Dabei reichen die Symptome von diffusen oder kolikartigen Bauchschmerzen über Durchfall bis hin zu einem, teils unbemerkten, Blutverlust mit dem Stuhlgang. Aufgrund der Lage des Dünndarms und seiner außergewöhnlichen Länge sind Krankheiten bisher oft schwierig zu erkennen und zu behandeln. Hier ist eine präzise Diagnostik, wie sie durch die Spiralenteroskopie unterstützt wird, die Voraussetzung für eine wirkungsvolle Therapie.“