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Spontaner Sehnenriss als Ursache für Kraft- oder Funktionsverlust

Gesundheitstipp von Prof. Dr. Michael Wild, Direktor der Chirurgischen Klinik II – Orthopädie-, Unfall- und Handchirurgie

Plötzlich lässt sich das Fingerendglied oder der Daumen nicht mehr strecken. Oder es besteht ein Kraftverlust im Ellenbogen. Der Fuß lässt sich im Sprunggelenk nicht mehr richtig anheben? Ursache hinter all diesen Symptomen kann ein spontaner Sehnenriss sein, der nicht selten als Lähmung oder Arthrose fehlinterpretiert wird.

Während der spontane Achillessehnenriss vielen Menschen bekannt ist und deutliche Symptome sowie akute Schmerzen verursacht, können manche Sehnenrisse relativ harmlos verlaufen, so dass der plötzliche Kraftverlust oder ein Bewegungsdefizit und weniger der Schmerz im Vordergrund steht. Dies gilt insbesondere für die kleineren Sehnen der Hand und des Fußes. Spontane Risse der großen Sehnen der unteren Extremität, wie die Quadrizepssehne am Oberschenkel, der Patellarsehne am Knie oder der Achillessehne an der Ferse führen klassischerweise zu einer sofortigen Gang- und Stehunfähigkeit, so dass der Patient unmittelbar nach dem Sehnenriss den Arzt aufsucht. Auch Risse der körperfernen Bizepssehne bleiben aufgrund des deutlichen Kraftverlustes und wegen der damit verbundenen Beschwerden im Ellenbogen meist nicht lange unentdeckt. Risse der kleineren Sehnen an der Hand und am Sprunggelenk werden allerdings häufig fehlinterpretiert und bagatellisiert.

Ein typischer Klassiker unter den gedeckten spontanen Sehnenrissen ist der Riss der Fingerstrecksehne am Fingerendglied. Patienten berichten meist, dass der Finger nach dem Bettenmachen beim Schieben des Bettlakens unter die Matratze kurz geschmerzt habe und sich dann nicht mehr strecken ließ. Der Arzt wird oft erst nach einigen Wochen aufgesucht, wenn die Funktion nicht zurückkehrt. Da bei frühzeitiger Diagnose diese spontane Sehnenruptur sehr gut konservativ mit einer speziellen Schiene behandelt werden kann, empfiehlt es sich, die Behandlung nicht durch einen verspäteten Arztbesuch zu verzögern. Bei verspäteter Diagnose verbleibt als einzige therapeutische Option dann meist nur noch ein handchirurgischer Eingriff. Andere spontane Sehnenrisse an der Hand oder am Fuß bedürfen dagegen fast immer eines operativen Eingriffes um die vollumfängliche Funktion wiederherzustellen. Dies gilt insbesondere für den langen Daumenstrecker oder die Tibialis anterior Sehne, die als Fussheber agiert.

Die Ursachen für diese spontanen Sehnenrupturen können vielfältig sein und müssen sorgfältig abgeklärt werden. Der überwiegende Anteil dieser spontanen Sehnenrisse beruht auf degenerativer Veränderungen der Sehne und einer gewissen genetischen Veranlagung. So können einige Menschen in Ihrem Leben mehrere spontane Sehnenrisse erleiden, oft sogar der gleichen Sehne auf der Gegenseite. Auch eine schwere unfallbedingte Quetschung der Sehne, wobei hier der Riss typischerweise erst einige Zeit nach der Quetschung auftritt, oder ein abrupter schlagartig einsetzender Zugstress auf eine Sehne, welche deren Belastungsfähigkeit überschreitet, können ursächlich sein. Erleidet ein Patient mehr als einen spontanen Sehnenriss muss auch an eine rheumatische Erkrankung oder eine medikamentös bedingte Ursache aufgrund der Einnahme bestimmter Medikamente, wie z.B. Cortison gedacht werden.

Während die Sehnenkontinuität der großen Sehnen am Oberarm oder am Bein meist durch eine direkte Naht oder eine Refixation am Knochen relativ problemlos wiederhergestellt werden können, ist der operative Aufwand bei spontanen Rissen der Sehnen der Hand oder des Fußes deutlich anspruchsvoller und sollte insbesondere an der Hand von einem erfahrenen Handchirurgen durchgeführt werden, da hier nicht selten ein Sehnentransfer oder eine Sehnentransplantation mit einer aufwendigen hochspezialisierten Nachbehandlung für den Therapieerfolg extrem wichtig ist.

22. Juni 2020