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Verwirrtheitszustände nach einer Operation

Gesundheitstipp von Dr. Bernd Schoenes, Anästhesist in der Klinik für Anästhesie und operative Intensivmedizin

Eine Allgemeinanästhesie („Vollnarkose“) ist, wenn sie denn benötigt wird, eine grandiose Sache. Sie ermöglicht uns, lange, komplizierte und vor allem schmerzhafte Eingriffe ohne weiteres zu überstehen. Erst mit der Erfindung der Narkose haben schmerzhafte Eingriffe und Operationen, von der Amputation bis zum Darmverschluss, viel von ihrer existentiellen Bedrohung verloren. So kommt es, dass heute Patienten erfolgreich operativ behandelt werden können, die bis vor gar nicht allzu langer Zeit als nicht operabel galten. Ein Beispiel: Die Hüftfraktur der betagten Eltern wird heute routinemäßig operativ versorgt, auch und gerade um vor weiteren Schäden zu bewahren, die durch langes Liegen verursacht werden wie eine Lungenentzündung, die eine hohe Sterblichkeit aufweist.

Die erweiterten Indikationen zur Operation und die verbesserten Narkosetechniken rücken andere Dinge in den Vordergrund, die mit solchen Operationen vergesellschaftet sind. Wer schon einmal einen betagten Angehörigen durch eine Operation begleitet hat, kennt häufig die Verwirrtheitszustände unmittelbar nach dem Eingriff. Diese können mitunter anstrengende, beängstigende oder geradezu bizarre Formen annehmen. Das so genannte akute Delir hält in der Regel Stunden bis Tage an und lässt dann langsam nach. Problematisch dabei ist die Eigengefährdung, wenn der verwirrte Patient beim Versuch dem Bett zu entfliehen stürzt. Eine andere Operationsfolge, die insbesondere Ältere betrifft, ist das postoperative kognitive Defizit. Als ursächlich dafür gelten operationsbedingte Kreislaufveränderungen und Entzündungsreaktionen, die auf eine altersbedingt eingeschränkte Kompensationsfähigkeit des Gehirns hinsichtlich gedanklicher Leistungsfähigkeit und Flexibilität trifft. Die Folge sind oftmals Konzentrationsstörungen und reduzierte Gedächtnisleistungen, die bis zu einem halben Jahr nach der Operation andauern können. Dies wird vor allem von den Patienten selbst als sehr störend empfunden.

Genauso wenig wie es einzelne, spezifische Auslöser für Delir und kognitives Defizit gibt, gibt es auch kein einzelnes Heilmittel oder Medikament dagegen. Es ist vielmehr die Kombination verschiedener Maßnahmen, durch die die Wahrscheinlichkeit des Auftretens und das Ausmaß von postoperativen geistigen Funktionsstörungen verringert werden können. Während der Operation sind die genaue Überwachung und Anpassung der Kreislaufparameter sowie der Narkosetiefe entscheidende Faktoren, auch bestimmte Medikamente können förderlich sein. Ebenso wichtig ist, die an den Patienten angepasste Nachsorge: Da die fremde Umgebung die Verwirrtheit verstärkt, sind vertraute persönliche Gegenstände wie Familienfotos oder auch eine eigene Sofadecke genauso hilfreich wie Hörgerät und Brille. Wichtig ist eine erkennbare Tagesstruktur zum Beispiel durch regelmäßige Mahlzeiten und die Aufrechterhaltung des Tag- und Nachtrhythmus. Besuche und längere Anwesenheit von Angehörigen sind womöglich der hilfreichste Faktor. Dies ist aber in Anbetracht der gegenwärtigen Corona-Pandemie nur in Einzelfällen realisierbar. Jede Klinik sollte für sich ein entsprechendes Konzept entwickeln.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass heute auch im hohen Alter Operationen nicht nur durchführbar sind, sondern mit entsprechenden Vorkehrungen auch die unangenehmen und teilweise bedrohlichen Auswirkungen wie Delir und Konzentrationsstörungen oftmals vermieden oder zumindest abgemildert werden können.

27. Januar 2021