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Wann gilt man als gebrechlich?

Bei „gebrechlichen“ oder fragilen (englisch) Patient*innen, ist bei Einsatz und Dosierung von Medikamenten eine besondere Vorsicht geboten. Wer gilt als gebrechlicher Patient? Gesundheitstipp von Privatdozent Dr. Jörg Herold, Direktor der Klinik für Gefäßmedizin – Angiologie am Klinikum Darmstadt.

Viele Medikamente werden über die Niere ausgeschieden. Was aber die meisten nicht wissen ist, dass die Nierenfunktion im Durchschnitt ab dem 40. Lebensjahr kontinuierlich abnimmt. Aus dieser Tatsche lässt sich ableiten, dass bei älteren Menschen über den Urin ausgeschiedene Medikamente in oftmals in unzureichender Menge den Körper verlassen. Dies kann eine Erhöhung des eigentlich gewünschten Medikamentenspiegels zur Folge haben und so zum um Beispiel bei einer Therapie mit Blutverdünnern (Antikoagulanzien) eine unerwünschte Wirkung auslösen, z.B. eine innere oder äußere Blutung. Äußere Blutungen werden leicht anhand von einer verlängerten Blutungszeit nach Verletzungen oder Hautschnitten beobachtet. Auch spontan oder nach nur sehr leichten Kontakten auftretenden Blaue Flecken können Hinweise auf eine gestörte Blutgerinnung sein. Innere Blutungen sind meist nicht so offensichtlich und bedürfen fast immer einer Arztkonsultation zur Diagnosestellung. So kann das „zu dünne“ Blut über den Verdauungstrakt verloren gehen oder zu einer sehr gefährlichen Organeinblutung führen.

Die Nierenfunktion wird als Glomeruläre-Filtrations-Rate angegeben, welche ein Maß für die Filterfunktion der Niere ist. Schaut man sich seine Blutuntersuchung einmal selbst an, erkennt man diese als GFR (Glomeruläre-Filtration-Rate) oder auch unter dem Punkt „Kreatinin-Clearence“ (Ausscheidungsrate des Stoffwechselproduktes Kreatinin). Anhand der Referenzwerte erkennt der Arzt schnell, in welchem Stadium der Niereninsuffizienz sich der Patient befindet. Bei eingeschränkter Nierenfunktion können nierenflüchtige Substanzen schlechter ausgeschieden werden und häufen sich im Blut an. So spricht man ab einer Kreatinin-Clearence von unter 50 ml/min von einem fragilen Patienten. Bereits hier muss an eine Überprüfung der Medikamentendosis wie in unserem Beispiel der Blutverdünner erfolgen.

Neben der Begutachtung der Nierenfunktion gilt es besonders ein Augenmerk auf das Körpergewicht der Patienten zulegen. Denn Patienten, die ein Körpergewicht von ≤ 50 kg aufweisen, muss eine besondere Beachtung bei dem Einsatz und der Dosierung von Medikamenten erfolgen. Gerade dünne, kleine und zierliche Personen mit entsprechend geringem Körpergewicht neigen dazu, an den Folgen einer Überdosierung von Blutverdünnungsmedikamenten zu erkranken und sollten daher unbedingt beim Arztbesuch regelmäßig auf ihr Körpergewicht hinweisen.

Eine weitere wichtige, aber oftmals nicht so klar zu definierende Größe für die Einschätzung der Gebrechlichkeit von Patienten ist das Alter. Gelegentlich stimmt das biologische Alter nicht mit dem eigentlichen Alter überein. Im besseren Falle sehen ältere Patienten biologisch deutlich jünger aus, aber es kann sich auch der umgekehrte Fall darstellen. Dennoch kann man sich merken, dass man ab dem Alter von 75 Jahren zu der Gruppe der gebrechlichen Patienten zählt. Hier ist die genaue Kenntnis über Dosis und Interaktion von verschiedenen Medikamenten von besonderem Wert für die Risikoeinschätzung und Vermeidung einer unerwünschten Überdosierung mit z.B. einer Blutung.

Werden alle drei Risikoparameter - Nierenfunktion, Gewicht und Alter - von dem Patienten erfüllt, erhöht sich das Gesamtrisiko entsprechend.  Dann empfehlen wir mit dem behandelnden Arzt über Indikation, Dosis und Dauer der Medikation sowie über eventuelle Alternativen zu sprechen.