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Das „Multiple Myelom“ ist wie ein Chamäleon häufig schwer zu enttarnen

Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation ist zentrale Säule der Therapie / Interdisziplinäre Behandlung ist entscheidend für den Therapieerfolg / Gesundheitstipp von Prof. Dr. Helga Bernhard, Direktorin der Medizinischen Klinik V

Die Ursache des „Multiplen Myeloms“ (Synonym: „Plasmozytom“) ist eine maligne Entartung von Plasmazellen, die den weißen Blutkörperchen angehören („Gesundheitspolizei des Körpers“). Gesunde Plasmazellen sind zuständig für die Produktion von sogenannten Antikörpern, die körperfremde Strukturen markieren und angreifen können. Die Plasmazellen befinden sich im Knochenmark, dem Ort unserer Blutbildung.

Bösartig entartete Plasmazellen (sog. Plasmozytom- oder Myelomzellen) verdrängen die gesunde Blutbildung im Knochenmark und können somit eine Blutarmut (Anämie) oder einen Mangel an Blutplättchen (Thrombopenie) mit erhöhter Blutungsneigung verursachen. Weiterhin stimulieren die bösartigen Plasmazellen knochenabbauende Zellen (sog. Osteoklasten) und hemmen knochenaufbauende Zellen (sog. Osteoblasten), so dass es zu Defekten am Knochen bis hin zu Knochenbrüchen kommen kann und zudem mitunter erhöhte Calciumwerte im Blut auftauchen. Die kranken Plasmazellen produzieren unnatürlich große Mengen von Antikörpern; gleichzeitig kommt es zu einem Mangel an normalen Antikörpern mit folglich erhöhter Infektionsneigung. Die große Menge an unnormalen Antikörpern kann das Blut sehr „zähflüssig“ machen (erhöhte Viskosität), was an den verschiedensten Organen (Gehirn, Herz, Nieren u.a.) zu lebensbedrohlichen Krisen führen kann.

Die Symptome können aufgrund der oben geschilderten Mechanismen sehr vielfältig sein (Chamäleon!) und reichen von unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit und Schwäche über Knochenschmerzen und Ödemneigung bis hin zu Schwindel und unklaren Bewusstseinsstörungen. Zur Diagnosestellung sind Laboruntersuchungen (u.a. Blutbild, Nierenwerte, Calciumspiegel und spezielle Untersuchungen der Bluteiweiße als Basisdiagnostik) erforderlich, eine Untersuchung des Knochenmarks und eine Bildgebung des Skeletts. Nach Diagnosestellung erfolgen heutzutage weitere Spezialuntersuchungen, um die Prognose besser abschätzen und um die Therapie besser steuern zu können. Je nach Ausprägung der erhobenen Befunde wird die Erkrankung in verschiedene Schweregrade oder Risikogruppen unterteilt – es ist nicht immer unmittelbar eine Therapie erforderlich.

Ein wesentlicher Baustein der Therapie des Multiplen Myeloms ist die sogenannte systemische Therapie, die im ganzen Körper wirkt und als Tablette oder als Infusion verabreicht werden kann. Häufig wird eine Kombinationstherapie durchgeführt bestehend aus klassischen Chemotherapeutika, therapeutische Antikörper, Immunmodulatoren und anderen modernen Substanzen. Je nach individueller Konstellation (Allgemeinzustand, Alter, Dringlichkeit) werden die Therapien angepasst. Bei Patientinnen und Patienten in gutem Allgemeinzustand wird zusätzlich eine sogenannte Hochdosistherapie mit dem Medikament Melphalan durchgeführt und anschließend die zuvor gesammelten eigenen Stammzellen verabreicht (sog. autologe Stammzelltransplantation); diese intensive Therapie führt zu einer weitreichenden Zurückdrängung der Erkrankung. Die Stammzelltransplantation wird unter stationären Bedingungen in spezialisierten Krankenhäusern durchgeführt, wie z.B im Klinikum Darmstadt. Mitunter ist es sinnvoll dieses Verfahren zu wiederholen.

Generell ist zu betonen, dass die Behandlung des Multiplen Myeloms interdisziplinär erfolgt. Neben den Spezialistinnen und Spezialisten für Hämatologie und Onkologie benötigt es Strahlentherapeutinnen/en, Nephrologinnen/Nephrologen und weiterhin Expertinnen und Experten für Orthopädie und Neurochirurgie. Zentrale Austauschstellen sind hierbei die interdisziplinären Tumorkonferenzen, die für jeden Fall ein maßgeschneidertes Konzept ermöglichen. Durch die gelebte Interdisziplinarität und die Entwicklung moderner Systemtherapien hat sich die Prognose für Patientinnen und Patienten mit einem Multiplen Myelom in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert.