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Bionischer Ansatz beim Lungenkrebs

Was wir in der Krebserkennung von Hunden lernen können. Prof. Dr. Carl Schimanski über eine veröffentlichte Studie, die seine Klinik durchgeführt hat:

Lungenkrebs ist mit die häufigste krebsbedingte Todesursache in der westlichen Welt. Die frühe Diagnose eines Lungenkrebses ist essentiell für eine erfolgreiche Behandlung. Nur bei einer Tumor-Erkennung in frühen Stadien besteht die Chance auf eine heilende Operation oder Strahlentherapie. Die Warn-Symptome des Lungenkrebses sind unzuverlässig – hierzu zählen u.a. chronischer Husten, Luftnot, Entzündungen und blutiger Auswurf. Häufig sind diese aber bereits mit einer fortgeschrittenen, nicht heilbaren, Erkrankung vergesellschaftet.

Im Gegensatz zum Darmkrebs und der Darmspiegelung ist für den Lungenkrebs bisher ein einheitliches Vorsorgeprogramm noch nicht etabliert, erläutert Prof. Dr. Carl Schimanski, Direktor der Medizinischen Klinik II - Gastroenterologie, Hepatopankreatologie, Endokrinologie und Pneumologie. Ein wie in den Vereinigten Staaten durchgeführtes CT der Lunge wird in Europa u.a. aufgrund der damit verbundenen Strahlenbelastung bisher nicht breit empfohlen. Ein vielversprechender Ansatz könnte der Nachweis von Biomarkern im Urin oder der Atemluft sein, ähnlich wie der Stuhltest beim Darmkrebs. Leider kennen wir entsprechende Marker bisher nicht ausreichend, wissen aber, dass die existieren müssen. Speziell konditionierte Hunde waren in mehreren kleineren Studien in der Lage, die Körperflüssigkeiten von krebserkrankten und gesunden Patienten zu unterscheiden. 

Die Medizinische Klinik II am Klinikum Darmstadt führte mit Finanzierung durch die Heidrun-Seibert-Stiftung in Dieburg eine große prospektive Studie durch, die nunmehr erfolgreich ausgewertet und publiziert wurde. In dieser Studie wurden Hunde dazu konditioniert, anhand der Ausatemluft und des Urins, Lungentumorpatient*innen von Gesunden zu unterscheiden. Die Studie begann im Jahr 2016 am Klinikum Darmstadt und am Lungenzentrum Darmstadt als doppelt-blinde Studie nach entsprechendem Ethik-Votum der Universität Frankfurt. 

In einer Vorphase wurden Atem- und Urinproben von 36 Krebspatient*innen und 150 Kontrollpatient*innen gesammelt, um die Hunde durch ein professionelles Trainingszentrum auf den spezifischen Krebsgeruch zu konditionieren. Hiernach wurden Proben von 246 Patient*innen in der Studienphase untersucht: 41 Lungenkrebspatient*innen und 205 Kontrollpatient*innen. Die Hunde mussten unter wissenschaftlichen Bedingungen unter fünf Proben die Krebsprobe entdecken - weder der Hund noch der Hundeführer wusste in welchem Probentöpfchen die Krebsprobe vorlag, so dass auch der Hundeführer den Hund nicht beeinflussen konnte. 

Die Reaktion des Hundes auf die Erkennung der Krebsprobe bestand in einer antrainierten Reaktion:  Hund legt sich auf den Boden und bellt. „Die Fähigkeit der konditionierten Hunde in unserer Studie war zutiefst beeindruckend“, erklärt Prof. Dr. Carl Schimanski. 

Bei den Atemproben lag die Nachweisgenauigkeit bei 78%, bei den Urinproben sogar bei 88%. Nutzte man beide Ergebnisse, kamen die Hunde auf eine Nachweisgenauigkeit von 97,6%, was fast dem CT der Lunge entsprach (100%). „Das heißt, spezifisch konditionierte Hunde konnten 40 von 41 Krebsproben korrekt entdecken. Damit war die Leistung der Hunde deutlich besser als eine Lungenspiegelung (56%), bei der die Lunge nur von den Bronchien aus betrachtet wird oder die Bestimmung von bekannten Tumormarker im Blut (65-93%), zumal Tumormarker meist sehr unspezifisch sind“, führt Prof. Dr. Carl Schimanski weiter aus.

Unsere Körperflüssigkeiten und Gase enthalten hunderte gelöste Substanzen, die wir nicht in Gänze kennen. Viele von ihnen sind organischer Natur, zum Teil sehr volatil und werden somit als volatile organische Compounds (VOC) bezeichnet. „Nach dem erfolgreichen Abschluss dieser bionischen, klinischen Studienphase sollen die entsprechenden Biomarker im Urin weiter identifiziert werden. Hierzu besteht eine Kooperation der Heidrun-Seibert-Stiftung mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg“, führt Prof. Dr. Carl Schimanski weiter aus und schließt: „Wir danken allen Patient*innen und allen Freiwilligen, die an dieser Studie, die inzwischen wissenschaftlich publiziert worden ist, teilgenommen haben.“

Studie: Feil et al. BMC Cancer 2021 21:917. Auf: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34388977/