Nicht nur einfach nebenherlaufen oder voll eingeplant werden – das wünschen sich viele Auszubildende. Da kommen die Tage mit den Praxisanleitern gerade recht. Falco Kubny (31Jahre) arbeitet seit elf Jahren beim Klinikum Darmstadt in der Pflege, seit seiner Weiterbildung zu 50 Prozent als Praxisanleiter. „Das Konzept ist klasse – so haben wir mit den Auszubildenden ganze Tage Zeit, an denen wir uns Themen setzen, praktisch üben können und auch Wissen für die Theorie vertiefen. Der Wissenstransfer und der Lerneffekt sind an diesen Tagen einfach höher und das ist für uns alle ein Gewinn“, sagt Falco Kubny. Er ist einer von insgesamt 73 Praxisanleitern, die den Auszubildenden des Klinikums als Ansprechpartner und mit hoher Fachexpertise und staatlich anerkannter pädagogischer Fachweiterbildung zur Verfügung stehen.
Der Morgen beginnt mit einem Erstgespräch. Bianca Kunz, 22 Jahre alt, Auszubildende im ersten Lehrjahr, ist den dritten Tag auf der Neurologischen Station. Eine Station, die Patienten mit besonderem Bedarf hat, weil viele aufgrund eines Schlaganfalls von Lähmungen betroffen sind.
„Was ich in diesen ersten Monaten gelernt und erfahren habe, ist unglaublich. Ich hatte das Glück auch in der Weaning-Station arbeiten zu dürfen. Diese Intensivstation, die darauf spezialisiert ist, Langzeitbeatmete von der Beatmung zu entwöhnen, hat mich bisher am meisten fasziniert. Auch weil es dort eine 1:1 Betreuung gibt und ich so ganz viel angeleitet worden bin“, schwärmt Bianca Kunz. „In meinen Gesprächen mit den Auszubildenden in anderen Krankenhäusern höre ich heraus, dass es hier im Klinikum schon eher stressig ist, aber dafür hat man hier einfach auch die aller breitesten Möglichkeiten, die eben nur ein Haus der Maximalversorgung bieten kann. Das gibt mir viele Chancen, das zu finden, was mir am meisten entspricht und was mich interessiert.“
„Die Auszubildenden müssen sich schnell eingewöhnen“, weiß auch Falco Kubny. „Nach den Wochen des Blockunterrichts in der Schule folgt ein Praxisblock in immer wieder neuen Stationen. Da sind solche Erstgespräche mit den Azubis besonders wichtig.“ Bianca Kunz hatte schon Einsätze im Alten- und Pflegeheim der Emilia Seniorenresidenz, auf der Mutter-Kind-Station und in der Inneren Medizin auf einer gastroenterologischen Station. Falco Kubny will von ihr wissen, welche Kenntnisse sie von den Krankheitsbildern der Patienten hat, die auf der Station 6F liegen. Und auch, ob sie den Tagesablauf auf Station benennen kann.
28 Betten hat die Station. Schlaganfall, Epilepsie, Parkinson und Multiple Sklerose – das sind die Hauptkrankheiten, mit denen sie es zu tun hat. Morgens um 6 beginnt auch ihr Dienst mit der Übergabe des Nachtdienstes. Da werden die Besonderheiten, Veränderungen besprochen. Und sie wird bestimmten Patienten zugeordnet, für die sie zuständig und nach der Ausbildung später dann auch alleine verantwortlich wäre. Dann geht es zu einem ersten Rundgang über die Station: Vitalzeichen messen, Medikamente ausgeben.
Einem Erstgespräch folgt am Ende der Praxiszeit auch immer ein Abschlussgespräch, bei dem gemeinsam erarbeitet werden kann, was vielleicht an Wissen noch fehlt, damit dies im nächsten Praxisblock angegangen werden kann, berichtet Falco Kubny. Und jeder Praxisblock wird benotet.
Die Mobilisation von halbseitig gelähmten Patienten, darin genauer eingewiesen zu werden, das steht heute auf dem Praxistag. Zuerst geht es zu einer Patientin, die seit drei Tagen auf der Station ist. Sie sitzt im Mobilisationsstuhl und möchte zurück in ihr Bett. Wie kommt die Auszubildende in das Zimmer – „War mit dem Frühstück alles in Ordnung?“, fragt Bianca Kunz. Wie wendet sie sich der Patientin zu: „Wollen Sie noch sitzen bleiben – oder lieber zurück in Ihr Bett?“ Ist ihre Ansprache klar, freundlich und strahlt sie Sicherheit aus? Hat sie immer die Ressourcen im Blick, die die Patientin mitbringt? All das hat nimmt Falco Kubny wahr. Er ermuntert sie und lässt ihr das Heft in der Hand. So sagt sie: „Wenn du da bist, dann traue ich mir das zu.“ Seine Tipps sind wertvoll: „Da musst du dein Knie dagegen drücken … und immer in Schrittstellung hinstellen, damit du nicht selbst ins Straucheln kommst.“ So gelingt es, die Dame, trotz ihrer Beeinträchtigung, gemeinsam sicher zu betten.
Doch richtig sicher fühlt sich Bianca Kunz noch nicht. Dafür geht es jetzt in einem Praxisraum zur Sache: Zuerst schlüpft sie in die Rolle der halbseitig Gelähmten. Falco Kubny hebt sie mit verschiedenen Techniken aus dem Stuhl ins Bett und wieder zurück. Und gibt jede Menge Ratschläge – auch zum rückenschonenden Arbeiten: „zweimal vor und zurück wippen, dann klappt es mit Schwung mit dem Aufstehen.“ Dann ist Bianca Kunz dran. Sie setzt Falco Kubny mit Hilfe des Amoregrifffs an den Bettrand, zieht ihm die Schuhe an, fragt ihn, ob ihm schwindlig ist, hat immer Körperkontakt, damit sie jederzeit gegensteuern kann, falls er ins Kippen kommt. Klemmt sich die gelähmte Armseite unter die Achseln. Falco Kubny macht es ihr so schwer wie möglich und verhält sich immer unerwartet, denn „Schlaganfallpatienten geht die Möglichkeit zur und das Wissen von Bewegung verloren.“ Und dann wieder zurück vom Stuhl ins Bett. Geschafft! So viele Dinge auf einmal sind da zu beachten… Da braucht es jede Menge Übung, bis Routine und Sicherheit da sind.
Eine Woche später kann Bianca Kunz die gelernten Techniken im Kinästhetik-Kurs für Azubis festigen: „Denn unsere Arbeit ist schwer, auch körperlich schwer. Mit den richtigen Techniken können wir aber die fehlende Kraft ausgleichen“, das hat sie schon mehrfach am eigenen Leib festgestellt. „Mit Menschen so eng in Kontakt zu kommen und Ihnen Hilfestellungen zu geben, ist was ganz Besonderes. Ich bekomme hier jede Menge zurück“ erklärt sie ihren Antrieb, diese Ausbildung zu machen und mit großer Freude, Motivation und Engagement dabei zu bleiben.
„Meine große Motivation hier sind ganz klar die Patienten und die Auszubildenden, aber auch mein privates Glück“, verrät Falco Kubny. Bei der Eröffnung der Medizinischen Kliniken vor sieben Jahren, da hat er unter seinen Kolleginnen seine Frau kennengelernt, heute haben beide zwei Kinder.