Notfall
Terminanfrage
Schwangerschaft & Geburt
Lageplan
Ansprechpersonen
Lob & Kritik

Leisten- und Narbenbrüche sollten behandelt werden

Gesundheitstipp von Dr. Ricarda Peine, Oberärztin in der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie

Für fast alles gibt es einen speziellen Tag: Tag des Schlafes (21. Juni), Tag der Arbeit (1. Mai), Tag des Kindes (20. September). Ja, sogar einen Tag des Dachshundes (21.Juni) gibt es. Warum also sich nicht auch eine Woche oder einen ganzen Monat einem Thema widmen, um Verständnis und Aufmerksamkeit dafür zu wecken? Beispielsweise dem Thema „Hernie“, wie dies im Juni in den USA geschieht. Ein Anlass, dass auch wir uns diesem Thema einmal etwas näher zuwenden.
Hernien sind Brüche der Bauchwand. Diese können bei Überlastung und bei bestehender Bindegewebsschwäche spontan oder aber auch nach Operationen entstehen. Zur ersten Gruppe gehören beispielsweise Oberbauchbrüche, Leisten- und Schenkelbrüche, Nabelbrüche und die recht häufigen Zwerchfellbrüche.

Zur zweiten Gruppe zählen natürlich Narbenbrüche und Brüche neben einem künstlichen Darmausgang. Fokussieren wir uns zunächst auf den häufigsten aller Brüche: den Leistenbruch und auf die komplexesten Brüche: die Narbenbrüche.
Neulich fragte mich ein Bekannter: „Ich habe eine Vorwölbung in der Leiste, die weh tut. Ich glaube, das ist ein Leistenbruch. Soll ich mich daran operieren lassen?“ Die einfache Antwort auf die Frage des jungen, gesunden und sportlich aktiven Mannes heißt: „Ja.“

Auch wenn aktuell nur geringe Beschwerden bestehen: bei entsprechender Belastung werden Brüche größer, es können Anteile innerer Organe, zum Beispiel Dünn- und Dickdarm oder Blase hineinrutschen und schlimmstenfalls sogar einklemmen. Dann ist eine Notoperation nötig. Allerdings sollten sich Patient*in und Behandler*in sicher sein, dass die zu therapierenden Schmerzen im Bereich der Leiste auch tatsächlich von einem Bruch stammen. Leistenschmerzen können verschiedene Ursachen haben.  Wenn keine Vorwölbung zu tasten ist, kann es sich um eine Leistenzerrung, um Hüftgelenksbeschwerden oder auch einmal um eine Nervenreizung handeln. Hier hilft keinesfalls eine Leistenbruchoperation. Im Gegenteil, die Beschwerden können sich eher noch verschlimmern. Auch vergrößerte Lymphknoten können Ursache eine Leistenschwellung sein. Deren Ursache muss unbedingt ärztlich abgeklärt werden, insbesondere dann, wenn sie nicht innerhalb weniger Tage von allein verschwindet.
Wesentlich seltener als Leistenbrüche sind Narbenbrüche. Sie entstehen bei Wundheilungsstörungen nach Bauchoperationen oder verfrühter Belastung einer geschwächten Bauchdecke. Hier finden wir leider oft eine unnötige Toleranz dieser zunächst nur als unschön betrachteten Erkrankung. Das führt häufig dazu, dass die Betroffenen erst zum Chirurgen kommen, wenn der Bruch schon sehr groß ist. Diese Situationen sollte man vermeiden und sich früh einer dann oft sehr viel einfacheren Operation unterziehen. Wichtig dafür sind einige Voraussetzungen: Die den Bruch verursachende Operation sollte lang genug zurück liegen. Wie lange hängt von der Grunderkrankung ab. Eine solche Narbenbruch-Operation ist keine Kleinigkeit. Daher sollten sich die Betroffenen an ein qualifiziertes Zentrum wenden, in dem erfahrene Operateure das gesamte Spektrum der zahlreich zur Verfügung stehenden Techniken beherrschen. Die Palette reicht von der Möglichkeit, durch Zug der Bauchdecken tragenden Schichten (Faszien) diese wieder zu verlängern und damit den Bruch zu schließen, über eine quasi plastische Verschiebung von Anteilen der Bauchdecke bis hin zu Verstärkungen der Bauchdecke mittels Netzen. Dies kann konventionell offen oder auch minimal-invasiv geschehen.   
Zusätzlich sollte insbesondere für Patient*innen mit sehr großen Hernien und zusätzlich komplizierenden Faktoren wie beispielsweise künstlichen Darmausgang oder Harnableitung sowie bei relevanten Nebendiagnosen, wie Herz-, Lungenerkrankungen, Diabetes oder arteriellen Verschlusskrankheiten, die Möglichkeit einer intensivmedizinischen Überwachung bestehen. Auch eine qualifizierte postoperative Schmerzbehandlung durch ein erfahrenes Schmerzteam erleichtert die Nachoperationsphase erheblich und beugt Komplikationen, die schwerwiegende Folgen haben können, vor.

Also: Nicht jeder Leistenschmerz ist ein Leistenbruch und gehört operiert. Narbenbrüche sollten Sie nicht tolerieren, sondern sich einem Arzt vorstellen. Es steckt nämlich mehr dahinter als nur ein kosmetisches Problem.