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Ungeimpfte Corona-Patient*innen auf der Intensivstation

Die Wahrheit ist: Auf der Corona-Intensivstation liegen fast ausschließlich ungeimpfte Patient*innen oder Patient*innen mit schweren Vorerkrankungen. Zwei Intensivmediziner und ein Intensivpfleger berichten, was das mit dem Team macht und wann die Behandlung und der Umgang schwierig werden. Klinikdirektor Prof. Dr. Martin Welte, Stationsleiter Michael Naab und Oberarzt Dr. Hermann Franzen geben Einblicke in den Alltag einer Corona-Intensivstation in der vierten Welle:

Gibt es unter den Ungeimpften auch Corona-Leugner*innen, die Sie behandeln?  
 
Michael Naab, pflegerische Leitung der Corona-Intensivstation: „Schwer zu sagen wer „nur“ ungeimpft ist, aus verschiedenen Gründen, und wer tatsächlich Leugner ist. Gerade auf der Intensivstation kann man diese Frage nicht mehr stellen. Für unsere Therapie ist das auch so lange unerheblich, so lange sich der/die Patient*in nicht aus eben diesem Grund indizierte Therapiemaßnahmen verweigert – und sich dadurch ggf. in Lebensgefahr bringt. Dann wird die Situation für das Behandlungsteam problematisch.“
 
Wie gehen Ärzt*innen und Pflegekräfte mit Patient*innen um, die offensichtlich Corona-Leugner*innen sind?
 
Klinikdirektor Prof. Dr. Martin Welte: „Wir behandeln alle schwer kranken Covid-Patienten*innen gleich. Problematisch wird es nur dann, wenn indizierte Therapiemaßnahmen aufgrund des Leugnens verweigert werden. Außerdem hat sich gezeigt, dass die Kommunikation mit den Patient*innen - aber vor allem auch mit seinem Umfeld, den Angehörigen - sehr schwierig werden kann, wenn die zu behandelnde Krankheit als nicht existent betrachtet wird. Die Ärztin/der Arzt wird in diesem Moment nicht als Helfer*inn sondern als Gegner betrachtet und jegliche Maßnahme wird zumindest hinterfragt, oft auch abgelehnt. Diese Kommunikation kann langwierig und anstrengend werden, wir müssen dann aufpassen, dass sie uns nicht von der Behandlung des/der Patient*in und auch der anderen Patient*innen abhält.“

Haben Sie die Zeit, mit den Patient*innen über den Sinn einer Impfung zu diskutieren? Oder werden sie durch die Krankheit „bekehrt“?
 
Oberarzt Dr. Hermann Franzen: „Leider ist es für die Patient*innen auf der Intensivstation zu spät, um sie zu „bekehren“. Wir versuchen  jedoch das Umfeld der Patient*innen zu adressieren, sofern das möglich ist. Für Familie, Freunde und Bekannte der Patient*innen ist es häufig noch nicht zu spät. Manche  kommen in der kritischen Situation zu der Einsicht, dass sie sich doch hätten impfen lassen sollen. Andere dagegen negieren die Krankheit und damit natürlich auch die Notwendigkeit der Impfung weiter, auch das haben wir schon erlebt. Wir sehen aber, dass ein Großteil der Ungeimpften aus Verunsicherten und Unschlüssigen und Ängstlichen besteht. Da wünschen wir uns noch mehr Aufklärung und Durchdringung und verstärkte niedrigschwellige Impfangebote, damit noch mehr Menschen als bisher sich impfen lassen.
 Die Krankheit kann in ihrem Verlauf grausam sein. Das betrifft vor allem die (wenigen) Infizierten, die auf Intensivstation behandelt werden müssen. Gefühlt sind die Verläufe der 4. Welle viel schlimmer, die Sterblichkeit ist hoch. Auf der Intensivstation sind nur sehr wenige Patient*innen, die geimpft wurden, also deren Verlauf man als Imfdurchbruch bezeichnet. Hier handelt es sich aber um vorerkrankte Patienten, die in irgendeiner Form einen Immundefekt haben und bei denen auch für andere Infektionen ein schwerer Verlauf zu erwarten wäre.
Bei den ungeimpften intensivpflichtigen Patienten handelt es sich um junge Menschen, die häufig keine besonderen Vorerkrankungen mit bringen. Jung heißt zwischen 30 und 55 Jahren für uns, häufig sind kleine Kinder zuhause. Die Patient*innen werden immer professionell und auch mit entsprechender Empathie behandelt. Aber wir wissen - das ist wissenschaftlich erwiesen - dass diese Menschen, wären sie geimpft, keinen so schweren Verlauf haben müssten; sie müssten nicht um ihr Leben kämpfen. Aber sie haben sich anders entschieden. Das müssen wir akzeptieren. Aber es tut uns vor allem für die Familien der Patient*innen leid. Einen besseren Grund, sich impfen zu lassen gibt es eigentlich nicht!“
  
Fällt es dem Team schwer, Ungeimpfte zu behandeln? 
 
Klinikdirektor Prof. Dr. Martin Welte: „Selbstverständlich erhält auch jeder COVID-Leugner dieselbe Behandlung, wie jeder andere COVID-Patient auch. Da gibt es überhaupt keine Diskussion, sondern nur Professionalität, das ist medizinisch und ethisch geboten! Aber es ist auch den Mitarbeitenden nicht zu verdenken, wenn sie sich ihre Gedanken machen: Warum muss ich diesen uneinsichtigen Menschen meine Zeit widmen? Werden durch diese Uneinsichtigen denn nicht auch andere gefährdet? Wird dieser Behandlungsplatz einem anderen vorenthalten, weil ein Mensch unbelehrbar ist? Da solche Fragen durchaus auftauchen, haben wir uns entschlossen, für das gesamte Team wieder ein psychologisches Coaching und verstärkt Supervision anzubieten. Aber um es noch mal deutlich zu sagen: alle Mitarbeitenden, Pflege und Ärzteschaft, behandelnden COVID-Leugner genauso gut, wie andere COVID-Patienten.“

Nimmt man diese Fälle mit nach Hause? Macht das wütend?
 
Michael Naab: „Ja, gerade jetzt in der vierten Corona-Welle, in der die Patient*innen nicht geimpft sind, deutlich jünger sind als zuvor, fällt es schwerer, sich von dem zu distanzieren, was man den ganzen Tag sieht und erlebt. Man nimmt manches mit nach Hause, denkt noch darüber nach oder diskutiert es unter Kolleginnen und Kollegen. Und selbstverständlich: Manchmal wird man auch wütend. Aber, und da wiederholen wir uns, das darf natürlich von einem professionellen Umgang mit diesen Patient*innen nicht abhalten, und das tut es in unserem Team auch nicht.“
 
Dr. Hermann Franzen: „Unsere Intensivstation ist schon wieder fast so voll wie letztes Jahr im Herbst. Mehr als die Hälfte der Patient*innen sind COVID-19-Patient*innen. Keine andere Krankheit nimmt so viel Raum auf der Intensivstation ein. Wie sollen wir Patient*innen intensivmedizinisch versorgen, wenn die Betten voll sind? Mit einer höheren Impfrate könnten wir mehr Patient*innen mit anderen Erkrankungen wie z.B. Krebs behandeln. Platz für diese Menschen wird schon wieder auf den Intensivstationen knapp.
Wut hilft nicht, aber ein gewisses Unverständnis bleibt. Denn die nackten Zahlen sprechen eindeutig dafür, dass die Impfung definitiv gegen schwere Verläufe und Tod schützt. Das sehen wir jeden Tag. Und wenn man sich die CT-Bilder eines betroffenen Menschen ansieht, möchte man das Risiko, einen solchen Verlauf zu bekommen, minimieren. Das Virus scheint buchstäblich die Lunge aufzufressen, das sieht sogar der Laie. Da ist Long-Covid erstmal noch gar nicht das Problem, die Krankheit muss zunächst überhaupt überlebt werden.
Wir haben von unserer Klinik bereits professionelle Hilfe erhalten, Psycholog*innen begleiten und supervidieren uns. Das hilft. Die Krankheit ist schrecklich, alle die damit professionell zu tun haben, wünschen diese ihrem ärgsten Feind nicht.  Zum Glück nimmt die Impfkampagne wieder an Fahrt auf. Wir müssen vor allem die erreichen, die es nicht besser wissen und vielleicht Angst vor der Impfung haben. Ausgewiesene Impfgegner und Verschwörungstheoretiker werden wir nicht umstimmen können. Viele aus unserem Team haben sich schon die dritte, die Booster-Impfung geholt.“