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Was bedeutet eigentlich kleines und großes Blutbild?

Gesundheitstipp von Dr. med. Thorsten Wenzel, stellv. Klinikdirektor Medizinische Klinik V – Hämatologie und Onkologie

Bei Krankheitssymptomen verschiedenster Art wird häufig als Basisdiagnostik ein sogenanntes kleines oder ein großes Blutbild veranlasst. Hierbei gibt es bei Patienten nicht selten Missverständnisse in der Begrifflichkeit und in der Interpretation von Ergebnissen. Insbesondere der Begriff „Großes Blutbild“ führt zur Annahme, ein Patient könne damit sozusagen „von Kopf bis Fuß“ auf einen Blick untersucht werden.

Veränderungen im Blutbild sind häufig vorübergehend (zum Beispiel bei leichten Infektionen) und dann meistens als harmlos anzusehen. Andererseits können trotz eines unauffälligen Blutbildes schwere Erkrankungen vorliegen. Bei einem Blutbild wird nicht direkt die Organfunktion oder die Gesundheit einzelner oder mehrerer Organen wie der Lunge, des Herzens, der Leber oder der Nieren überprüft. Hierfür gibt es weitere Laboruntersuchungen, die aber nicht Bestandteil eines Blutbildes sind.

Bei einem „kleinen Blutbild“ werden vor allem die Anzahl, die Größe und die „Farbintensität“ der Blutkörperchen bestimmt, zusätzlich wird der Anteil der Blutkörperchen am Blutvolumen (Hämatokrit) ermittelt. Zu den Blutzellen gehören die roten (Erythrozyten) und die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) sowie die Blutplättchen (Thrombozyten). Meistens erfolgt dies vollständig automatisiert. Auch schon das kleine Blutbild kann wertvolle (indirekte) Hinweise auf verschiedenste Erkrankungen liefern. Zum Beispiel chronische Blutungen im Magen-Darm-Bereich oder im Urogenitaltrakt aus verschiedenen Ursachen, die durch Eisenmangel eine Blutarmut (Anämie) mit auffallend kleinen (mikrozytären) und blassen (hypochromen) roten Blutkörperchen verursachen. Auch auffallend hohe Werte im kleinen Blutbild können schon nähere Hinweise liefern. Ist die Anzahl der roten Blutkörperchen sehr hoch, dann könnte beispielsweise eine chronische Lungen- oder Herzerkrankung oder auch eine seltene primäre Knochenmarkerkrankung (Polycythämie) dahinterstecken; erhöhte weiße Blutkörperchen können auf eine Infektion oder auch auf eine ernstere Erkrankung des Knochenmarks hinweisen.

Bei einem sogenannten „großen Blutbild“ werden die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) in Untergruppen aufgeteilt (differenziert) und ausgezählt. Dies kann ebenfalls automatisiert erfolgen, bei wichtigen Fragestellungen (beispielsweise bei Verdacht auf eine Leukämie) muss aber unbedingt eine manuelle Untersuchung (Differenzierung) im gefärbten Blutausstrich unter dem Mikroskop erfolgen. Es braucht viel Erfahrung und Spezialkenntnisse, um dies durchführen zu können. Den verschiedenen Untergruppen der Leukozyten (u.a. Granulozyten, Lymphozyten und Monozyten) kommen im menschlichen Körper vor allem verschiedene Aufgaben bei der stufenweisen Abwehr von Erregern wie Bakterien, Viren oder Pilzen zu. Der Mangel, eine ungleiche Verteilung oder die Vermehrung einer Untergruppe führen zu weiteren diagnostischen Maßnahmen – zum Beispiel zu einer Punktion des Knochenmarkes, dem Ort der Blutbildung, oder nach speziellen Erregern wird gezielt gesucht.

Wie immer in der Medizin gilt eine wesentliche Grundregel auch bei der Blutbilddiagnostik: Einzelne abweichende Blutwerte müssen stets in der Zusammenschau mit anderen Befunden interpretiert werden. Das Grundgerüst jeder Diagnostik besteht zunächst aus dem Arzt-Patienten-Gespräch (Anamnese) und aus der körperlichen Untersuchung, diesen beiden Bausteinen muss ausreichend Zeit eingeräumt werden. Erst auf dieser Grundlage können korrekte Diagnosen gestellt und die notwendigen therapeutischen Schritte eingeleitet werden.

17. Februar 2020