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Warum Essstörungen zunehmen

Gesundheitstipp von Dr. Alexandra Mihm, Direktorin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Es gibt verschiedene Formen der Essstörungen, deren Ursache auch sehr unterschiedlich sind. Neben der Anorexie (Magersucht) gibt es die Bulimie und die Binge Eating Störung. Treten Essattacken oder Binge Eating (Essen ohne aufhören zu können) überwiegend nachts auf, so spricht man auch vom Night Eating Syndrom (NES) oder einer nächtlichen Essstörung.

Bei der Anorexie stehen die psychische Probleme Angst, zu dick zu sein (Körperschemastörung) und die Angst vor Gewichtszunahme im Vordergrund. Das Körperbild wird zunehmend auch über die sozialen Medien, Werbung und Fernsehsendungen geprägt. Oft wird ein unrealistisches Schönheitsideal vermittelt, das zudem über retuschierte Bilder und Videoclips noch gesteigert wird. Daneben geht es aber auch um Autonomie und Selbstentwicklung, oft in einer auch sonst schwierigen Entwicklungszeit, der Pubertät. Familiäre Probleme und der Umgang mit der Entwicklung in der Familie spielen oft ebenfalls eine Rolle. Auch Trennung oder Scheidung der Eltern, Mobbing in der Schule oder Kritik, mit der nicht umgegangen werden kann, sind oft zusätzliche Belastungsfaktoren. Das Essen und die Figur werden dann zu etwas, worauf man Einfluss nehmen kann, was man kontrollieren kann und womit man sich abgrenzen kann. Die Figur wird dann oft dazu genutzt, das Selbstwertgefühl zu stärken.  

In der Pandemiezeit haben sich viele Jugendliche gezwungenermaßen sehr zurück gezogen und nachweislich war der Medienkonsum deutlich höher. Austausch mit Freunden, Hobbys und ein geregelter Alltag fehlten. Das hat sich alles immer noch nicht wieder ganz verändert und wirkt immer noch nach. Der Rückzug und der Medienkonsum haben sich ungünstig aus der psychosozialen Entwicklung ausgewirkt, so dass psychische Erkrankungen und auch Essstörungen zugenommen haben.

Bei der Bulimie sind die Personen oft normalgewichtig, bei der Binge-Eating Störungen sehr oft übergewichtig. Das Essen wird oft genutzt, um Emotionen zu regulieren. Oft wird versucht, ein negatives Selbstgefühl, aber auch Konflikte und innere Spannungen, durch das Essen loszuwerden. Selbstvorwürfe, Gefühle wie Schuld, Scham, Ekel werden versucht, durch Essen oder durch Essanfälle und nachfolgendes Erbrechen zu kompensieren. Damit entsteht oft ein negativer Kreislauf von Selbstvorwürfen. Es wird dann zum Trost oder aus Frust gegessen. Immer wieder durchgeführte Diäten und der Jo-Jo Effekt wirken sich zudem zusätzlich negativ aus, zeigt sich dadurch doch auch immer wieder ein Versagen.

Sehr bedeutsam ist, dass bei allen Essstörungen oft psychische Störungen wie Depressionen, Angststörungen und Zwangserkrankungen relativ häufig zu finden sind. Das ist auch für die Behandlung wichtig. In der ärztlichen Untersuchung werden alle Erkrankungen erfasst und es ist uns ein Anliegen, den Patienten ganzheitlich zu sehen. Das bedeutet auch, dass nach Risikofaktoren gesucht wird und diese dann mitbehandelt werden. Kommt ein Patient z.B. wegen einer Depression und ist zusätzlich adipös, dann wird eruiert, ob er an einer Binge-Eating Störung leidet, die dann ebenso wie die Depression mitbehandelt werden.

In der Therapie werden in Einzel- und Gruppenpsychotherapie die tieferen zugrundeliegenden Konflikte behandelt. Auch der Umgang mit Emotionen und inneren Spannungen finden in den Einzel- und Gruppentherapien Platz. Insbesondere der Umgang mit negativen Gefühlen und Konflikten ist dabei wichtig. Oft wird im Verlauf der Behandlung auch das familiäre Umfeld eingeladen, also Paar- und Familiengespräche durchgeführt.

Auch die Freude an der Bewegung ist ein wichtiger Faktor in der Behandlung. Bei Patienten mit Adipositas und Depression verbessert Bewegung und Sport auch die Depression und fördert ein positives Körperempfinden – hilft also aus dem Teufelskreis aus Frust und Selbstabwertung herauszukommen. In den Entspannungsverfahren wird erlebbar, wie Anspannung und Stressgefühle gemindert werden können. Insgesamt ist es Ziel, die Selbstakzeptanz zu stärken und ein positives Körperbild aufzubauen.