Notfall
Terminanfrage
Schwangerschaft & Geburt
Lageplan
Ansprechpersonen
Lob & Kritik

„Klinische Ethikberatung ist angewandte Ethik“

Dr. Andreas Lenhart ist Ethikbeauftragter im Klinikum – Ethikkomitee wird bei schwierigen Entscheidungen hinzugezogen

Wie lässt sich das eigene Handeln an ethischen Kriterien ausrichten? Eine Frage, die auch in Krankenhäusern eine wichtige Rolle spielt. Das war nicht immer so, denn aus der Rolle des Arztes als Behandler und aus der Rolle als Forscher ergibt sich ein Rollenkonflikt, der zu einem großen Vertrauensverlust geführt hat. Hier setzt die Medizinethik an, die aber erst in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung und Akzeptanz gewonnen hat.

Immer wieder gab es Studien, oder medizinische Experimente, die ohne das Wissen und das Einverständnis der Probanden oder unter Zwang durchgeführt wurden. Entschieden wurde auf Grund von medizinischen Fragestellungen. Heute gibt es beispielsweise die Deklaration von Helsinki des Weltärztebunds, die einen Leitrahmen in ethischen Fragen vorgibt. Und auch in diesem Regelwerk geht es immer wieder um den Konflikt zwischen Forschung und dem Willen, den Probanden zu schützen. Übertragen auf das Krankenhaus bedeutet diese Frage häufig, was ist medizinisch möglich und was nützt dem Patienten?

„Hessen ist das einzige Bundesland, in dem gesetzlich geregelt ist, dass es in Krankenhäusern einen Ethikbeauftragten haben muss“, erklärt Dr. Andreas Lenhart, der dieses Amt im Klinikum Darmstadt innehat. Im Klinikum gibt es zudem seit 2010 ein Klinisches Ethikkomitee. Dieses kann hinzugezogen werden, wenn schwierige Entscheidungen im Einzelfall getroffen werden müssen, die über rein medizinische Fragen hinausgehen und ethische Prinzipien wie das Selbstbestimmungsrecht der Patient*innen, das Prinzip der Schadensvermeidung, das Prinzip zum Wohle der Patient*innen zu handeln und das Prinzip der Gerechtigkeit berühren.

 Da ist zum Beispiel der 70 Jahre alte Patient einer Intensivstation mit einer malignen Grunderkrankung, der mit einem Mehrorganversagen seit Wochen invasiv beatmet werden muss und wo sich, trotz maximalem Antibiotika-Einsatz, aufgrund der fehlenden eigen Immunabwehr keine Besserungstendenz abzeichnet. Eine Patientenverfügung liegt vor, die die Bedeutung der eigenen Würde in den Vordergrund stellt und invasive Therapiemaßnahmen von der Aussicht auf eine durchgreifende Verbesserung abhängig macht. Unter ethischen Aspekten stellt sich hier die Frage nach dem bestmöglichen Behandlungsziel des Patienten, das sowohl der Lebensqualität als auch dem Wohltun und dem Willen des Patienten entspricht.

In einem ethischen Fallgespräch ist diese Frage gemeinsam mit den ärztlich und pflegerisch Behandelnden und den Angehörigen unter Moderation von Mitgliedern des Ethikkomitees strukturiert besprochen worden. Die im Konsens aller Teilnehmenden getroffene Empfehlung hat in diesem Fall auf den Wechsel hin zu einem palliativen Therapiekonzept gelautet. Empfehlung deshalb, weil die Ethikkomitees nur eine beratende Funktion haben.

„Klinische Ethikberatung ist angewandte Ethik“, sagt der leitende Oberarzt und Facharzt für Anästhesie- und Intensivmedizin. „Dabei müssen wir uns bewusst sein, dass es einen Unterschied zwischen Moral und Ethik gibt. Moral ist ein subjektiv geprägter Begriff – die eigene Moralvorstellung übernimmt jeder Mensch intuitiv durch Umfeld und Erziehung. Ethik ist dagegen eine wissenschaftliche Disziplin, die reflektiert danach fragt, wie Moral begründbar ist.“

Ethikkomitees in Krankenhäusern haben neben der Durchführung individueller ethischer Fallgespräche auch die Aufgabe, an der Erstellung einschlägiger interner Leitlinien und Empfehlungen mitzuwirken und – beispielsweise im Rahmen von Vorträgen – die Sensibilität aller Mitarbeitenden in der Wahrnehmung ethischer Themen zu stärken. Die insgesamt 16 Mitglieder des Ethikkomitees am Klinikum Darmstadt sind interdisziplinär zusammengesetzt und kommen aus allen Berufsgruppen. Das Ethikkomitee ist mittlerweile am Haus fest etabliert. Im Jahr 2024 wurden – neben der Wahrnehmung anderer Aufgaben – insgesamt 25 Fallbesprechungen durchgeführt.