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Wenn das Schlucken nicht mehr geht

Gesundheitstipp von Dr. Ilia Aroyo, Oberarzt der Klinik für Neurologie und Neurointensivmedizin und Leiter des Dysphagie-Zentrums

Das Schlucken gehört zu den komplexesten Vorgängen. Der Körper muss unterscheiden, ob die Nahrung flüssig oder fest ist und dementsprechend muss sich die Schluckmuskulatur reflektorisch einstellen. Zudem muss die Nahrung in den Magen transportiert, gleichzeitig aber der Atemweg geschützt und das Atmen möglich sein.

Der Schluckvorgang unterscheidet sich in eine Vorbereitungsphase, in der das Essen zuerst im Mund durch die Zähne und Zunge zerkleinert und durch den Speichel breiig gemacht wird. Danach kommt die Transportphase, dabei wird durch Bewegungen der Zunge und auch Zusammenziehen der Halsmuskeln die Nahrung zur Speiseröhre bewegt, die dann durch wellenförmige Bewegungen diese in den Magen transportiert.

Letztendlich schlucken wir bis zu 1500-2000 Mal am Tag und „verschlucken“ dabei bis zu anderthalb Liter Speichel. Bei etwa sieben bis zehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland ist der Schluckvorgang gestört: Sie leiden unter einer Dysphagie. Dafür gibt es viele - vor allem neurologische - Gründe. Bei 80 Prozent der Patienten mit einem akuten Schlaganfall kann es zu einer Schluckstörung kommen, bei einem Viertel davon bleibt sie für immer bestehen. Aber nicht nur der Schlaganfall, auch viele andere neurologische Erkrankungen, wie die Parkinson-Krankheit, die Multiple Sklerose, die Epilepsie, die Demenz und auch Muskelerkrankungen können eine Schluckstörung verursachen. Hinzu kommen viele weitere Ursachen wie Tumore im vom Mund- und Rachenraum aber auch nach Traumata, Erkrankungen der Speiseröhre oder des gastro-intestinalen Trakts, Entzündungen, anatomische Fehlbildungen usw.

Der Verlust an Lebensqualität ist enorm. Es kommt oft nicht nur zu Lungenentzündungen, sondern auch zu einer Mangelernährung, welche viele andere gesundheitliche Risiken birgt.

Die Abklärung der Dysphagie muss interdisziplinär erfolgen: Komplettierend zur klinischen Diagnostik erfolgt die apparative Abklärung durch Verfahren wie die fiberendoskopische Untersuchung des Schluckaktes (FEES), die Videofluoroskopie (VFSS) oder gebräuchlich „Breischluck“ genannt, die Gastroskopie, High-Definition-Manometrie und andere.

Die Therapien sind auf das Vermeiden von Lungenentzündungen durch Verschlucken gerichtet sowie rehabilitativ auf die Wiederherstellung der Schluckfähigkeit und Verbesserung der Ernährung des betroffenen Patienten. Aber es kommen immer mehr auch apparative Therapien, wie zum Beispiel die pharyngeale elektrische Stimulation (PES) oder die neuromuskuläre, elektrische Stimulation zum Trainieren der am Schluckvorgang beteiligten Muskeln zum Einsatz. Schluckstörungen deren Ursache Raumforderungen, Entzündungen oder anatomische Fehlbildungen sind, werden von den entsprechenden Fachspezialisten betreut. Bei schweren Dysphagien ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Spezialisten aus der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Gastroenterologie, Pneumologie, Neurologie, Radiologie, Pflege, Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und Ernährungsberatung und weitere notwendig.

Ob jung oder alt – jeder sollte sich genug Zeit für die Mahlzeiten nehmen. Je schneller und unverdauter die Mahlzeit aufgenommen wurde, umso höher das Risiko sich zu verschlucken, diese unzerkaut zum Magen zu bewegen, wo sie dann wesentlich länger bleibt und Magenbeschwerden verursachen kann, und auch den Weitertransport zum Darm erschwert. Deswegen ist es wichtig, sich Zeit zu nehmen, langsam zu essen, das Essen gut im Mund zu zermahlen und zu Brei zu machen. Nur so wirken auch die Verdauungsenzyme, die schon im Mund mit dem Speichel ausgeschieden werden. Darüber hinaus ist dann der Transport über die Speiseröhre schonender und der Magen kann ein gut zermahlenes Essen besser weiter verdauen und zum Darm bewegen, wo die Nahrungsmittel aufgenommen werden.

Wenn man trotz schonendem Essverhalten sich plötzlich beginnt vermehrt zu verschlucken, Schmerzen im Rachenraum oder im Magen verspürt, unter Sodbrennen leidet, sollte man dies beim Hausarzt und ggf. beim Spezialisten abklären lassen.