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„Wer gute Gesundheitsversorgung möchte, muss auch fair dafür zahlen“

Mitgliederversammlung des Klinikverbunds Hessen e. V. kritisiert verzögerte Verhandlungen beim Pflegebudget und unzureichende Krankenhausfinanzierung.

„Wir brauchen mehr als gute Absichten, wir brauchen rasches Handeln für die Krankenhäuser“, meint Vorstandsvorsitzender Clemens Maurer anlässlich der Mitgliederversammlung des Klinikverbunds Hessen e. V. am 30. November. Das Personal in den Krankenhäusern, insbesondere in der Pflege, im ärztlichen Dienst und allen anderen Bereichen in der Versorgung, sei am Ende ihrer Kräfte, vor allem aber am Ende ihrer Geduld. „Bei Vielen ist die Belastungsgrenze oder die Grenzen der Geduld längst überschritten, sie fühlen sich im Stich und allein gelassen, haben kein Vertrauen mehr und keine Hoffnung in eine positive Veränderung und ziehen daher für sich die Konsequenzen: Sie stehen der Gesundheitsversorgung nicht mehr zur Verfügung – und da nützt auch keine Bonuszahlung mehr“, fährt Maurer fort. Die Politik habe viel zu spät auf die vierte Welle reagiert, vor der schon lange gewarnt worden sei. Sie habe zugelassen, dass sich Krankenhäuser und Intensivstationen rasant gefüllt hätten, so dass in einigen Versorgungsbereichen in Hessen bereits keine Betten mehr zur Verfügung stünden und diese Situation sich noch weiter verschlimmere.

Nicht nur durch die lange unterbliebene Reaktion auf die steigenden Infektionen habe die Politik die Krankenhäuser im Stich gelassen, sondern trotz aller Versprechungen und gegenteiliger Behauptungen blieben die Kliniken und ihre Träger auch finanziell unter Druck. „Wir bekommen keine Entschädigung dafür, dass wir Operationen und andere Behandlungen verschieben müssen, wodurch Erlöse wegbrechen, zudem müssen wir Ausgleichszahlungen für die Behandlung der COVID-Erkrankten am Ende des Jahres wieder zurückerstatten und bekommen zusätzlich zwei Prozent abgezogen“, erklärt Achim Neyer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Klinikverbunds Hessen e. V. auf. Zudem verzögerten die Krankenkassen in vielen Kliniken die Verhandlungen über ein Pflegebudget, selbst für das Vorjahr 2020 gebe es nur vereinzelte Abschlüsse. Das mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz seit dem Jahr 2020 eingeführte Pflegebudget soll die tatsächlichen Pflegepersonalkosten der Krankenhäuser erstatten. In der Realität stellten die Kassen die tatsächlichen Kosten in Frage und verzögerten die Verhandlungen. Die Verzögerungen der Kassen führe dazu, dass die Kliniken nur einen viel geringeren vorläufigen Betrag für das Pflegebudget abrechnen könnten als notwendig. „Das bedeutet, dass die betroffenen Kliniken je nach Größe und Personalkosten zwischen 4 und 20 Millionen Euro pro Jahr vorfinanzieren müssen, denn das Gehalt muss ja ausbezahlt werden und auf die davon zu bezahlenden Krankenversicherungsbeiträge wollen die Kassen auch nicht verzichten“, erläutert Reinhard Schaffert, Geschäftsführer des Klinikverbunds Hessen. Dies belaste die sowieso schon angespannte Liquidität der Kliniken, die bereits jetzt oft nur durch teure Kredite gesichert werden könne.

Diese Situation führe bei einigen der im Klinikverbund Hessen vertretenen öffentlichen Krankenhäusern an den Rand der Zahlungsfähigkeit oder darüber hinaus, wenn sie keine Unterstützung von ihrem kommunalen Träger erhalten. „Wenn kommunale Krankenhäuser auf die Unterstützung ihres Trägers angewiesen sind, werden zum einen die Bürger der Kommune doppelt belastet, weil diese Unterstützung neben ihren Beitragszahlungen zusätzlich aus ihren Steuern finanziert wird, zum anderen ist das lediglich ein Symptom einer unzulänglichen Krankenhausfinanzierung“, meint Maurer. Die öffentlichen und kommunale Krankenhäuser versorgten in Hessen mehr als die Hälfte der Patientinnen und Patienten sowohl wohnortnah als auch in Zentren, dafür sei eine auskömmliche Krankenhausfinanzierung ohne die Notwendigkeit zusätzlicher kommunaler Unterstützung erforderlich. Daran werde der Klinikverbund Hessen die im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung vorgesehene Reform der Krankenhausfinanzierung messen.

„Viele der Unzulänglichkeiten der Krankenhausfinanzierung und anderer Regelungen sind dadurch bedingt, dass auf Druck der Krankenkassen immer neue Regeln für alle Krankenhäuser geschaffen werden, um vermeintliche Lücken zu stopfen, die vielleicht Einzelne nutzen könnten“, ist Schaffert überzeugt. Dies führe zusätzlich zu den finanziellen Belastungen zu einer überbordenden Bürokratie, die weitere Ressourcen aus der Versorgung abziehe sowie das Krankenhauspersonal zusätzlich belaste und demotiviere. Die Entlastung von Bürokratie sowie von überzogenen Kontrollen und Nachweisen sei essenziell, um Menschen wieder für medizinische und pflegerische Aufgaben und Berufen zu motivieren. Beispielsweise der Medizinische Dienst mit vielen tausenden ärztlichen und pflegerischen Mitarbeitern beschäftige im Krankenhaus eine fast ebenso große Anzahl mit nichts anderem als unterschiedlichen Interpretationen von Abrechnungsleistungen und Behandlungsnotwendigkeiten. „Über die Abrechnungsprüfungen des Medizinischen Dienstes findet eine Rabattierung von Krankenhausleistungen auf Kosten von Personal und Patienten statt, die letztlich nur der einzelnen Kasse einen Vorteil gegenüber den anderen Kassen bringt und daher der Konkurrenz der Kassen untereinander dient“, so Schaffert, „vielleicht sollte man statt über weniger Krankenhäuser, über weniger Krankenkassen nachdenken – so sehen es im Übrigen auch die meisten Bürger laut einer Umfrage.“ Schließlich seien die Krankenkassen nur Verwalter der Beiträge der gesetzlich versicherten Bürger. Für eine gute Gesundheitsversorgung sorgten Krankenhäuser, Pflegekräfte, Ärzte und andere Gesundheitsberufe. Dafür bräuchten Sie jedoch den Gestaltungsspielraum und das notwendige politische Gehör. Nur so könne sich das grundsätzlich in unserem Versorgungssystem enthaltende Potential entfalten.

An die neue Bundesregierung richtet der Klinikverbund Hessen einen Forderungskatalog für Sofortmaßnahmen sowie mittel- und langfristige Reformen:

Sofortmaßnahmen

  • Erhöhung des vorläufigen Pflegeentgeltwertes auf mindesten 213 Euro.
  • Einführung einer Freihaltepauschale für entgangene Einnahmen aufgrund verschobener Behandlungen für alle Krankenhäuser bzw. Anordnung von vorzuhaltenden Kapazitäten
  • Aussetzung der Abrechnungs- und Strukturprüfungen des Medizinischen Dienstes, insbesondere generelle Absenkung der Prüfquote auf 5% und Abschaffung der Aufschläge bei Rückzahlungen.
  • Anpassung des Mindererlösausgleichs für das Jahr 2021 in Bezug auf den Vergleich mit 100% der Erlöse des Jahres 2019, statt 98%
  • Anpassung des COVID-Versorgungszuschlags hinsichtlich Differenzierung nach Behandlungsaufwand (mindestens Behandlungsdauer) und Ausnahme vom Mehrerlösausgleich.

Mittel- und Langfristige Maßnahmen:

  • Dauerhafte Beibehaltung der Zahlungsfrist von fünf Tagen für die Vergütung von Krankenhausleistungen
  • Beschleunigung der (Pflege-)Budgetverhandlungen, beispielsweise in dem nach Ablauf von 6 Wochen nach Aufforderung zur Verhandlung die Forderung des Krankenhauses als vorläufig festgesetzt gilt
  • Reform der Krankenhausfinanzierung mit einer auskömmlichen Investitions-, Betriebskosten- und Vorhaltefinanzierung
  • Spürbare Entlastung von bürokratischen Aufwänden und Vorgaben, unter anderem in den Bereichen Qualitätssicherung, Personaleinsatz und Prüfungen durch den Medizinischen Dienst. Stattdessen Schaffung von Leitplanken, in denen sich die Krankenhäuser bewegen und entfalten können